Berlin, 20.01, Podiumsgespräch Mexiko / Kolumbien- Auf eigene Faust: Familien auf der Suche nach ihren verschwundenen Angehörigen

Aufgrund der Untätigkeit des Staates bei gewaltsamem Verschwindenlassen nehmen viele Familien die Suche nach ihren Angehörigen selbst in die Hand. Meist sind es Frauen, die diese schwierige Aufgabe übernehmen: Auf eigene Faust. Mit Gästen aus Mexiko und Kolumbien werden wir am 20.01. in Berlin über diese Erfahrungen sprechen.

Öffentliche Veranstaltung

Wann?: Montag, 20. Januar 2025, 18:30 Uhr
Ort: Brot für die Welt (Raum 0.K.01 Amalie Sieveking), Caroline-Michaelis-Straße 1, 10115 Berlin

 

Wo sind sie? Diese Frage stellen sich in Mexiko und Kolumbien tagtäglich tausende Familien, die nach ihren verschwundenen Angehörigen suchen. Über 118.000 Menschen gelten aktuell in Mexiko offiziell als verschwunden; in Kolumbien verschwanden im Zeitraum 1985 – 2016 laut dem Abschlussbericht der Wahrheitskommission über den internen bewaffneten Konflikt mindestens 121.768 Menschen. Die Dunkelziffer in beiden Ländern ist ungleich höher. Verantwortlich für die Verbrechen sind oftmals kriminelle Organisationen, bewaffnete Gruppierungen, aber auch staatliche Behörden.

Obwohl das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ein schweres Menschenrechtsverbrechen darstellt, liegt die Aufklärungsquote in beiden Staaten nahezu bei null. Aufgrund der staatlichen Untätigkeit nehmen viele Familien die Suche selbst in die Hand. Meist sind es Frauen, die diese schwierige Aufgabe übernehmen: Mütter, Töchter, Schwestern oder Ehefrauen der Verschwundenen. Sie schließen sich in Kollektiven zusammen, organisieren Suchaktionen, bilden sich in Forensik fort, wälzen Ermittlungsakten. Auf eigene Faust.

Für ihre Suche nach Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen werden die Suchenden bedroht, öffentlich stigmatisiert oder sogar ermordet. Trotz dieser Bedrohungslage ist aus den suchenden Familien in Mexiko und Kolumbien längst eine zivilgesellschaftliche Bewegung entstanden. Sie fordern ein Ende der Praxis des Verschwindenlassens, rechtliche Anerkennung und Schutz für die Suchenden sowie eine Intensivierung der staatlichen Bemühungen bei der Aufklärung der Verbrechen.

Welche rechtlichen und politischen Fortschritte, Perspektiven und Herausforderungen gab es in Mexiko und Kolumbien in den vergangenen Jahren, um der Krise des Verschwindenlassens zu begegnen? Wie können die Suchenden bei ihrer gefährlichen Aufgabe besser unterstützt und geschützt werden? Welchen Beitrag können wir in Deutschland und Europa dazu leisten?

Darüber diskutieren:

Adela Alvarado & Juan Carlos Lozada (Movimiento por Nuestros Desaparecidos en México)
Andrea Bautista (Nydia Erika Bautista-Stiftung, Kolumbien)
Teresa Valdés (Servicios y Asesoría para la Paz (SERAPAZ), Mexiko)
Graciela Martínez (Amnesty International)

Auf der Veranstaltung wird es eine Simultanübersetzung deutsch/spanisch geben. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Hinweis: Wir dokumentieren die Veranstaltung mit Fotos und Tonaufzeichnung. Mit der Teilnahme stimmen Sie diesen Aufnahmen und deren Nutzung für die Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich auf Webseiten und sozialen Medien, zu.

Über die Referent*innen:

Adela Alvarado sucht ihre Tochter Alejandrina Ramírez Alvarado. Am Verschwindenlassen der Psychologiestudentin am 14. Dezember 2004 in Mexiko-Stadt waren lokale Polizeikräfte beteiligt. Mit ihrer Familie gründete Adela Alvarado die Mónica Alejandrina-Stiftung, die Angehörige begleitet, die nach Verschwundenen suchen. Sie ist Mitglied im Movimiento por Nuestros Desaparecidos en México (Bewegung für unsere Verschwundenen in Mexiko). Die Bewegung vereint 98 Initiativen von Angehörigen von Verschwundenen in Mexiko und Zentralamerika. Aufgrund von Drohungen musste die Familie aus ihrer Heimatstadt fliehen.

Andrea Bautista wurde am 30. August 1987 Zeugin, wie ihre Tante Nydia Erika Bautista vom kolumbianischen Militär verhaftet wurde und anschließend verschwand. Sie ist Anwältin und Mitbegründerin der Nydia Erika Bautista-Stiftung, die sich seit mehr als 25 Jahren für die Aufklärung und Verfolgung von Fällen gewaltsamen Verschwindenlassens sowie für die Unterstützung von Familienangehörigen einsetzt. Als Leiterin des Bereichs zivilgesellschaftlicher Initiativen der Internationalen Kommission verschwundener Personen (ICMP) begleitete sie 2020 Umsetzung des Friedensabkommens in Kolumbien. Aufgrund ihres Engagements ist sie immer wieder mit Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen konfrontiert.

Juan Carlos Lozada sucht seinen Vater Juan Carlos Lozada Mahuem, der im Februar 2009 im mexikanischen Bundesstaat Hidalgo verschwand. Zusammen mit anderen Angehörigen von Verschwundenen gründete er das Kollektiv Juntos por Hidalgo (Gemeinsam für Hidalgo) und ist Mitglied des Movimiento por Nuestros Desaparecidos en México (Bewegung für unsere Verschwundenen in Mexiko). Von 2021 – 2024 war er Mitglied im Bürger*innenrat des nationalen Suchsystems (Sistema Nacional de Búsqueda). Aufgrund von Drohungen musste er den Bundesstaat Hidalgo im Jahr 2020 verlassen.

María Teresa Valdés Dávila ist Biologin und Bildungswissenschaftlerin aus Mexiko. Sie ist stellvertretende Direktorin für Prozessbegleitung bei SERAPAZ. Die mexikanische NGO setzt sich für Konflikttransformation und Friedensaufbau ein und berät und begleitet Basisorganisationen, Angehörige von Verschwundenen, Menschenrechtsverteidiger*innen sowie von Gewalt und Vertreibung betroffene Gemeinden.

Graciela Martínez González ist leitende Amerikas-Campaignerin im Internationalen Sekretariat von Amnesty International in Mexiko-Stadt. Sie arbeitet seit fast 15 Jahren in lokalen und internationalen NGOs in der Region und leitet Kampagnen zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen.

Foto: © Fundación Nydia Erika Bautista

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