Einigkeit, Land, Kultur, Autonomie: Der Consejo Regional Indígena del Cauca (CRIC)
Der Consejo Regional Indígena del Cauca (CRIC-Indigener Regionalrat des Cauca) wurde 1971 unter Beteiligung von gerade einmal 5 Gemeinden gegründet, um die indigene Bevölkerung dieses Departements im Südwesten Kolumbiens im Kampf zur Rückgewinnung ihres über Jahrhunderte geraubten Landes zu einen. Aufgrund der Verfolgung durch Großgrundbesitzer_innen und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen agierte die Organisation in der Gründungszeit größtenteils klandestin. Heute vertritt der CRIC 126 Gemeinden aus 10 verschiedenen indigenen Gruppen von den Hochtälern der Anden bis zur Pazifikküste, mit einer Gesamtbevölkerung von über 250.000 Personen.
Programmatisch konzentriert sich der CRIC auf Rückgewinnung und Schutz der traditionellen Territorien der indigenen Gemeinden, Stärkung der Selbstverwaltungsstrukturen, Bekanntmachung und effektive Anwendung der die indigenen Gemeinden betreffenden Gesetze, Wiederbelebung und Bewahrung von indigener Kultur, Sprachen und Geschichte, Ausbildung zweisprachiger indigener Lehrkräfte sowie die Stärkung ökonomischer Initiativen der Gemeinden.
Eine wichtige Rolle spielt dabei u.a. die Guardia Indígena, eine aus den traditionellen Strukturen der indigenen Gemeinden hervorgegangener, ehrenamtliche und unbewaffnete Schutzgruppe mit über 12.000 Mitgliedern aller Altersgruppen. Die Guardia unterstützt die traditionellen Autoritäten bei der Ausübung ihrer Funktionen, schützt die Gemeinden vor bewaffneten Akteuren und koordiniert in Notfällen Rettungseinsätze oder Katastrophenhilfe. Darüber hinaus sind ihre Ortsgruppen wichtig für politische Bildung sowie Bewahrung und Wiederbelebung traditioneller kultureller Praktiken.
Die Guardia Indigena des CRIC wurde bei der Verleihung des deutsch-französischen Menschenrechtspreises Antonio Nariño 2019 mit einer besonderen Erwähnung gewürdigt für deren Beiträge zum kollektiven Selbstschutz und zur Verteidigung der indigenen Territorien.
Situation im Cauca (Stand Februar 2020)
Nach einer kurzen Phase der Ruhe nach der Unterzeichnung der Friedensverträge zwischen den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) und der Regierung, hat sich die Situation der ländlichen Gemeinden im Cauca inzwischen wieder massiv verschlechtert. Der Staat hat sowohl versäumt, das durch die Demobilisierung der FARC-Guerilla entstandene Machtvakuum zu füllen, als auch zahlreiche Vereinbarungen mit den ehemaligen Guerrilleros/as und den vom bewaffneten Konflikt betroffenen Gemeinden nicht eingehalten. Die 2018 mit äußerst knapper Mehrheit gewählte Regierung von Iván Duque stellt den Friedensprozess teilweise offen in Frage und hat die zugewiesenen Finanzmittel drastisch reduziert. Dies hat den Raum für andere illegale bewaffnete Gruppen geöffnet sowie für die sogenannten „Disidencias“ (FARC-Abspaltungen, die sich nicht an der Demobilisierung beteiligt oder wiederbewaffnet haben). Diese Gruppen kämpfen jetzt untereinander um die Kontrolle der von den FARC-Guerilla verlassenen Gebiete sowie um die Routen für Drogenhandel und anderer illegaler Wirtschaftsaktivitäten (z.B. illegaler Bergbau und Holzeinschlag). Die ländliche Zivilbevölkerung steht wie zuvor im Kreuzfeuer oder wird, wenn sie – wie die indigenen Gemeinden des Cauca – versucht, ihre Territorien gegen den Einfluss der bewaffneten Akteure zu verteidigen, direkt zum Ziel von Drohungen und Angriffen.
Seit Unterzeichnung der Verträge mit den FARC im Jahr 2016 sind bereits über 800 Menschenrechtsverteidiger_innen und lokale Führungspersönlichkeiten ermordet worden. Der Cauca ist in dieser Statistik trauriger Spitzenreiter.
2019 sind die Menschenrechtsverletzungen in den indigenen Gebieten des Cauca noch einmal massiv angestiegen. Morddrohungen gegen indigene Aktivist_innen haben sich im Vergleich zum Jahr 2018 fast verfünffacht, die Zahl der Morde in den indigenen Territorien hat sich mehr als vervierfacht. Gerade lokale Führungspersönlichkeiten, traditionelle Autoritäten, Menschenrechts- und Umweltaktivist_innen, die sich engagieren, um Auswege aus der Gewaltspirale zu finden, sind besonders gefährdet. Besorgniserregend sind auch die Zunahme symbolischer Gewalt (z.B. Verstümmelung von Leichen Ermordeter), Zwangsrekrutierungen (insb. Minderjähriger) und die Wiederkehr von Massakern mit drei oder mehr Toten. Von letzteren gab es von 2016 bis 2018 nur eines, während 2019 insgesamt sieben Fälle registriert wurden.
Erschwerend hinzu kommt, dass der Staat – wenn überhaupt – meist nur durch seine Sicherheitskräfte Präsenz zeigt, die wiederum immer wieder selbst in Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung verwickelt sind. Das unterminiert das Vertrauen der Gemeinden in den Staat als Garanten ihrer Rechte und Sicherheit und schürt den Verdacht, dass Teile der Regierung weiterhin mit paramilitärischen Gruppen und den hinter ihnen stehenden Großgrundbesitzer_innen, Bergbauunternehmen oder Drogenhändler_innen verbündet sind. Für deren Interessen stellen die autonomen Prozesse der Gemeinden ein unbequemes Hindernis dar.
Video über die Guardia Indígena des CRIC (mit deutschen Untertiteln):