Friedensgemeinde San José de Apartadó:
Friedensgemeinde San José de Apartadó: Am 13.07.2007 wurde der Gemeindeführer und Koordinator der Humanitären Zone von Alto Bonito, Dairo Torres, erschossen. Laut Zeugenaussagen handelt es sich bei den Tätern um Paramilitärs. Dies ist nur ein weiterer Hinweis darauf, dass paramilitärische Verbände in der Region Urabá im Nordwesten Kolumbiens trotz der offiziell abgeschlossenen „Demobilisierung“ nach wie vor und ungehindert durch staatliche Sicherheitskräfte operieren und insbesondere die Friedensgemeinden der Region und deren Führungspersönlichkeiten bedrohen. Im Anschluss finden Sie die Kommuniqués der Friedensgemeinde.
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Sie wollen uns angreifen und verschleiern dafür wieder die Realität
Am 9. Juli gegen 21.00 Uhr ereigneten sich Kampfhandlungen zwischen der Guerilla und den staatlichen Sicherheitskräften im Umfeld der Gemeinde San José de Apartadó. Nach Angaben der örtlichen Medien wurde dabei ein Polizist getötet, ein anderer verletzt.
Gegenüber einigen Einwohnern von San José behauptete die Polizei am folgenden Tag (zwischen 13.00 und 14.00 Uhr), dass der Angriff der Guerilla aus der Friedensgemeinde heraus erfolgt sei – aus der Siedlung San Josesito und dass die Gemeinde teuer dafür bezahlen werde.
Die Regierung gab am 10. Juli in den Medien bekannt, dass es sich um isolierte Vorkommnisse handele, dass die Gemeinde von San José die wohlhabendste der Region sei und die Friedensgemeinde an sich nicht mehr existieren würde, dass zwar eine kleine Gruppe auf einer Finca leben würde, die Friedensgemeinde aber aufgelöst sei.
All diese Vorkommnisse demonstrieren einmal mehr, mit welchem Mangel an Transparenz und Wahrheit diese Regierung und die Sicherheitskräfte handeln. Auch jetzt beschuldigen sie uns wieder, Kriegshandlungen zu begehen, die jedoch ausschließlich in der Verantwortung der beiden bewaffneten Akteure liegen: der staatlichen Sicherheitskräfte in Verbindung mit paramilitärischen Gruppen auf der einen Seite und der Guerilla auf der anderen.
Wir sind besorgt, dass es aufgrund der Anschuldigungen der Polizei zu Bedrohungen und Aktionen gegen die Gemeinde kommen kann und bitten vor diesem Hintergrund um die nationale und internationale Solidarität.
Es ist offensichtlich, dass die Regierung in die Mordfälle in der Region verwickelt ist. Nach wie vor morden die Paramilitärs und setzen ihre Aktivitäten ungehindert fort. Der Staat wird in dieser Sache nicht aktiv, die Täter bleiben straffrei. Während die bewaffneten Zusammenstöße zwischen Guerilla und Sicherheitskräften ansteigen, werden sie als isolierte Handlungen verschleiert oder schlimmer noch – die Gemeinde wird von den Sicherheitskräften dafür verantwortlich gemacht.
Wir sind von der Wichtigkeit, all diese Vorfälle zu veröffentlichen und zu dokumentieren, überzeugt, damit eines Tages auch die Wahrheit aus Sicht der Opfer und nicht nur die Versionen der Täter in die Geschichte eingehen. Denn es zeigt sich auch jetzt wieder, dass die Täter Tatsachen verschleiern oder verfälschen.
Wir fordern den Respekt für die Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt, unter dem die Region Urabá leidet. Sowohl unser Lebensalltag, als auch unsere Erfahrungen zeigen uns wie wichtig es ist, den bewaffneten Akteuren eine friedliche Alternative in Form unserer Friedensgemeinde entgegenzusetzen und ein Zeichen für den Frieden und das Leben inmitten dieses Krieges zu setzen.
Friedensgemeinde San José de Apartadó, 11.Juli 2007
(Übersetzung kolko e.V.)
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Bedrohung durch die paramilitärische Gruppe „Aguilas Negrs“
Für die Friedensgemeinde San José de Aparatadó ist es eine moralische Verpflichtung, die andauernden Aggressionen gegen unseren Gemeindeprozeß öffentlich zu machen. Eines Tages wird dies dazu beitragen, dass die Gerechtigkeit über diejenigen siegt, die Tod gesät und eine Vielzahl von Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.
Am 12. Juli gegen 17: 35 Uhr stoppten zwei bewaffnete Paramilitärs den Bus des öffentlichen Nahverkehrs auf der Strecke zwischen Apartadó und San José bei Tierra Amarilla – ca. 10 Minuten von Apartadó entfernt. Die beiden Männer in Zivil gaben an, von den Aguilas Negras zu sein. Diese Gruppe werde in Zukunft die Kontrolle über die Region ausüben und die Friedensgemeinde werde teuer bezahlen. Dann durchsuchten sie den Bus, betrachteten alle Passagiere sorgfältig und ließen ihn danach weiterfahren.
Damit wiederholten die Paramilitärs dieselbe Drohung, die die Polizei bereits am 10. Juli gegen die Friedensgemeinde aussprach. Das verwundert jedoch nicht, da Polizei und Paramilitärs schon immer zusammengearbeitet haben. Dies wird z.B. dadurch offensichtlich, daß sich Paramilitärs auf Strassen, die durch das Militär oder die Polizei bewacht werden, frei bewegen können. Vor diesem Hintergrund sind die Morde zu betrachten, die uns in den 10 Jahren, in denen wir hier als Friedensgemeinde zusammen leben, getroffen haben.
Wir wissen, daß die Regierung und die Sicherheitskräfte sagen, dies alles sei Lüge: Die Toten der Paramilitärs existierten nicht, die Angriffe der Guerilla seien vereinzelte Taten. Uns verwundern diese Äußerungen und Verleumdungen nicht, aber wir, die den Konflikt am einen Leib erfahren und die Zusammenarbeit von Paramilitärs und staatlichen Sicherheitskräften miterleben, wissen, daß jede Drohung wahr gemacht wird.
Trotz der Drohungen durch die Polizei und die Paramilitärs werden wir nicht zurückweichen. Wir können nicht bestreiten, daß sie in uns Angst auslösen – aber auch Würde und Mut, den Mördern nicht einen Zentimeter unseres Lebensraums zu überlassen. Ihre Bedrohungen werden uns nicht von unseren Zielen abbringen. Und so werden wir jeden einzelnen Tag hier auf unserem Land sein und am Aufbau von lebenswürdigen Alternativen arbeiten.
Auf diesem Weg möchten wir uns bei allen bedanken, die uns ihre Solidarität sowohl im nationalen als auch im internationalen Rahmen entgegenbringen und den Weg, eine andere Welt zu schaffen mit uns gemeinsam gehen.
13.07.2007 Friedensgemeinde San José de Apartadó
(Übersetzung: kolko e.V.)
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Paramilitärs ermorden Dairo Torres
Mit Trauer, Wut und einem Gefühl der Ohnmacht geben wir die Ermordung unseres Freundes und Gemeindevertreters Dairo Torres bekannt.
Am Freitag den 13. Juli gegen 12.15 Uhr wurde der Bus, in dem sich Dairo Torres auf seinem Weg von Aparatadó nach San José befand, gerade fünf Minuten von Aparatadó entfernt, durch zwei Paramilitärs angehalten. Nachdem die beiden bewaffneten Männer den Bus angehalten hatten, befahlen sie Dairo Torres den Bus zu verlassen und hielten den Busfahrer an, weiterzufahren. Noch am selben Ort brachten sie Dairo um.
Es handelt sich um die gleichen Paramilitärs, die einen Tag zuvor, am 12. Juli, öffentlich Drohungen gegen die Gemeinde ausgesprochen hatten.
Der Mord ereignete sich in weniger als zwei Minuten Entfernung von Mangolo, dem nächsten Strassenkontrollpunkt der Polizei. Am Morgen desselben Tages wurden die beiden Paramilitärs bereits um 9.10 Uhr an dieser Polizeikontrolle beobachtet, wie sie sich mit den diensthabenden Polizisten zusammensetzen und sich unterhielten. Somit ist von einer Komplizenschaft von Polizei und Paramilitärs auszugehen, die Tatsachen sprechen für sich.
Dairo Torres war der Gemeindekoordinator der humanitären Zone von Alto Bonito (welches ca. vier Stunden von San Josesito entfernt ist). Seit 2004 setzte er sich unermüdlich für die Belange der Gemeinde ein. Dairo Torres war ein aktives, integeres und verantwortungsvolles Mitglied der Friedensgemeinde und spielte im Prozeß der Gemeinde eine verbindende Rolle. ein und wurde nie müde, die Ziele der Gemeinde einzufordern und zu erreichen.
Wir wissen um den Zynismus und die Dreistigkeit, mit denen der Staat seine Lügen über den Mord verbreiten wird, wie es auch im Fall der Ermordung von Francisco Puertas am 14. Mai diesen Jahres geschehen ist: dass es sich um einen Mord ohne politische Motive handele, daß es in diesem Teil des Landes keine Paramilitärs gäbe, daß er Guerillero gewesen sei und kein Gemeindevertreter, dass er im Gegenteil von der Gemeinde selbst vertrieben und an einem anderen Ort umgebracht worden sei etc.
Die Ermordung von Dairo Torres ist ein Verbrechen, welches durch Paramilitärs in Zusammenarbeit mit der Polizei verübt wurde. Wir haben bereits zuvor auf diese Situation hingewiesen, ohne daß irgendeine staatliche Instanz darauf reagiert hätte. Die Drohungen der Polizei ließen nicht lange auf sich warten und ihre paramilitärischen Boten führten die Befehle aus ohne Zeit zu verschwenden.
Der Tod von Dairo Torres ist ein harter Schlag gegen die Gemeinde und gegen die humanitäre Zone. Dairo Torres war klar und kraftvoll in seinem zivilen Widerstand und seiner Rolle als Gemeindevertreter. Wir bitten die nationalen und internationalen Organisationen und Menschen darum, den kolumbianischen Staat aufzufordern, die Repression gegen die Gemeinde und die Zivilbevölkerung in der Region zu stoppen.
Dies ist eine grausame Tat, aber wir wissen, dass der Schmerz und die Trauer uns helfen werden, unseren zivilen Widerstand genauso weiter fortzusetzen wie bisher und wie es Dairo vorgelebt hat. Er wird weiterhin unter uns sein und sein Andenken wird uns die Kraft geben, weiter zu arbeiten und noch unerschütterlicher in unseren Grundsätzen zu sein, die auch er verteidigt hat: – das Recht der Zivilbevölkerung in einem bewaffneten Konflikt als solche respektiert zu werden.
Seiner Familie, seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern sprechen wir unsere tief empfundene Anteilnahme aus. Wir unterstützen Euch bei unserem gemeinsamen Weg für Gerechtigkeit, Frieden und ein Leben in Würde.
Friedensgemeinde San Jose de Aparatado am 14. Juli 2007
(Übersetzung: kolko e.V.)