Interview mit Yolvi Lena Padilla Sepúlveda und Edisantiago Gutiérrez von der Wahrheitskommision

Die Wahrheitskommission (Comisión para el Esclarecimiento de la Verdad, la Convivencia y la No Repetición – CEV) ist Teil des integralen Systems der Übergangsjustiz, das vom Friedensabkommen mit den FARC geschaffen wurde. Ihre Aufgabe ist es, Zeugenaussagen von Konfliktbetroffenen, aber auch von bewaffneten Akteuren des Konfliktes und von Experten zu sammeln und mit diesen Informationen einen Bericht zu verfassen. Um mehr darüber zu erfahren, wie die CEV konkret arbeitet und was die Herausforderungen sind, haben wir Yolvi Lena Padilla und Edisantiago Gutiérrez, die für die CEV arbeiten, Ende letzten Jahres interviewt.

Wichtige Schritte auf dem Weg der Wahrheit

Beim Punkt 5 des Friedensabkommens geht es um die Opfer des Konflikts und wie diese gerecht entschädigt werden können. Dabei geht es vor allem um Wahrheit, aber auch um Gerechtigkeit und Wiedergutmachung sowie um die Garantie der Nicht-Wiederholung. Dazu wurde ein Gerüst (SIVJRNR) von drei Entitäten entwickelt, welche in diesem Artikel näher beleuchtet werden sollen. Der Fokus liegt dabei, wie auch in den anderen Artikeln dieser Serie, auf dem aktuellen Stand der Umsetzung.

Gemeinschaft von Cañaverales blockiert Kohletagebau der türkischen Yildirim Holding in der Guajira

Das türkische Unternehmen Best Coal Company (BCC), das zur Yildirim Holding gehört, plant im Weiler Cañaverales in der Gemeinde San Juan del Cesar eine Kohlemine im Tagebau auf 350 Hektaren. Die Gemeinschaft, angeführt vom afrokolumbianischen Gemeinschaftsrat Los Negros de Cañaverales stemmt sich seit 2009 gegen den Abbau von 12 Millionen Tonnen Kohle, da dabei eine Forstreserve und die Landwirtschaft beeinträchtigt würden. Es wird zudem vermutet, dass hinter dem relativ kleinen Projekt in Cañaverales ein neues Megaprojekt für Kohleförderung steckt. Das Megaprojekt würde zwei Tagebau- und eine Untertagmine sowie eine neue Eisenbahnlinie zum Hafen in Dibulla umfassen.

Die Verhaftung von Otoniel verringert den Drogenhandel kaum

Am 23. Oktober 2021 wurde Dairo Antonio Úsuga, alias Otoniel, gefasst. Präsident Duque verkündete auf der Militärbasis Tolemaida, dass dies der wichtigste Schlag gegen den Drogenhandel in Kolumbien im 21. Jahrhundert sei und nur mit dem Tod von Pablo Escobar in den 90er Jahren vergleichbar sei. Mit der Verhaftung von Alias Otoniel in der Operation Osiris sei das Ende des Clan del Golfo besiegelt. Diesen Aussagen Duques liegt eine verbreitete falsche Annahme zu Grunde, dass mit dem Entfernen des Kopfes einer kriminellen Organisation automatisch deren Handlungsfähigkeit verschwinde.

Die Unsicherheiten über die Zukunft des Kohlesektors werden auf dem Rücken der Arbeiter und der Gemeinschaften ausgetragen

Der Kohlesektor des Cesar ist nach wie vor mit grossen Unsicherheiten belastet, was auch weiterhin zusätzliche Unsicherheiten für die Gemeinschaften und die Arbeiter bedeutet. Das praktisch zahlungsunfähige Unternehmen Colombian Natural Ressources (CNR) wird durch den kolumbianischen Investitionsfonds Key Industries übernommen und soll den Bergbaubetrieb nach Monaten des Stillstandes wieder aufnehmen. Am 5. September 2021 wurde zudem bekannt, dass die nationale Bergbaubehörde schlussendlich die Rückgabe von drei der fünf Bergbautitel von Prodeco akzeptiert hat. Was das genau für die noch bestehenden Verpflichtungen Prodecos bedeutet, ist nicht restlos klar. Sechs Unternehmen, darunter vier chinesische, haben grundsätzlich Interesse an einer Übernahme der Minen von Prodeco gezeigt.

Reintegration – aber mit Sicherheit?

Im Punkt 3 des Friedensabkommens geht es um vier Themen, die sich allesamt dem Ziel widmen, den Konflikt zwischen der ehemaligen FARC Guerilla und der kolumbianischen Regierung endgültig zu beenden. Dazu zählen der definitive Waffenstillstand und die Waffenabgabe, die soziopolitische Reintegration ins zivile Leben der ehemaligen FARC Kämpfer*innen, die Sicherheitsgarantien sowie ein integraler Plan zur Entschärfung aller Antipersonenminen.

Politische Teilnahme – der Schlüssel zum Frieden?

Im Rahmen der Informationskampagne der ask! zum fünfjährigen Jubiläum seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla stellen wir die Frage, wo denn die Umsetzung des Friedensabkommens jetzt in der Halbzeit steht. Was wurde bisher realisiert, was nicht und können wir wissen, weshalb? Diesen Monat geht es um den Punkt 2, die politische Teilnahme.

Mit Tilapias auf dem Weg der Hoffnung

„Wir haben erkannt, dass es auch mit Koka auf den Feldern möglich ist, in Frieden zu leben“ (Natalia Currea, Friedensbeauftragte der Gemeinde Argelia). Dies ist die Geschichte eines Zusammenschlusses von Beamten und ehemaligen FARC-KämpferInnen, die mit einer Tilapiafischkultur eine Insel des Widerstands gegen den Krieg in einer der gefährlichsten Gemeinden Kolumbiens zu schaffen versuchen. Als Beispiel dafür, dass es neben all den traurigen und besorgniserregenden Nachrichten auch weiterhin Menschen gibt, die mit viel Kraft Hoffnung schaffen, haben wir diesen Artikel übersetzt.

Steter Tropfen oder heisser Stein?

Die Menschenrechtssituation in Kolumbien befindet sich in einem beunruhigenden Zustand. Seit Ende April die landesweiten Proteste wieder aufgenommen wurden, kommt es zeitenweise fast täglich zu Gewaltübergriffen seitens der staatlichen Sicherheitskräfte. Internationale Beobachtungsmissionen reisen nach Kolumbien, weisen die Regierung auf ihren menschenrechtswidrigen Umgang mit der Zivilbevölkerung hin und geben Empfehlungen ab, was verbessert werden sollte und wie. Die Reaktion der Regierung ist eine Verteidigungshaltung, die einem trotzenden Fünfjährigen alle Ehre machen würde. Der Hintergrund für diese Haltung stellen möglicherweise die nächstes Jahr anstehenden Wahlen dar und die Absicht, mit der ‘starken Hand’ einer ganz bestimmten Wählerschaft zu gefallen.

Überraschende Wende im kolumbianischen Kohlegeschäft

Heute, am 28. Juni 2021, überraschte Glencore mit einer Meldung , die viele Beobachter schon länger erwarteten: Glencore übernimmt von BHP und Anglo American deren Anteile an Cerrejón und wird zum alleinigen Besitzer der grössten Tagebau-Kohlemine in Lateinamerika. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass Glencore vor dem Schiedsgericht der Weltbank, gestützt auf das bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien, gegen den kolumbianischen Staat klagt, weil der Abbau des Minenabschnitts La Puente gerichtlich blockiert ist.

Komplexe Flüchtlingssituation in Kolumbien

Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag der UNO, wobei auf der ganzen Welt in verschiedenen Aktionen auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam gemacht wird. Kolumbien ist speziell von Binnenflüchtlingen betroffen, wird aber auch seit einigen Jahren von Flüchtlingen aus Venezuela gefordert. Die ask! nimmt sich den Tag zum Anlass, über die komplexe Situation in Kolumbien zu informieren.

Verhandlungen mit dem ELN – ein unmöglicher Friedensprozess?

In der jetzigen Lage in Kolumbien, mit dem weiter andauernden nationalen Streik, der alarmierenden Militarisierung durch die Regierung und steigenden Zahlen von Menschrechtsverletzungen, scheint das Thema von Friedensverhandlungen mit dem ELN nicht gerade das aktuellste Thema. Nichtsdestotrotz ist das Thema im Mai wieder in die Schlagzeilen gelangt. Nicht nur weil dies eine Forderung des nationalen Streikkomitees an die Regierung ist, sondern auch wegen des Rücktritts des Hohen Friedenskommissars der kolumbianischen Regierung am 22.05.2021.

Menschenrechtsverteidiger im Cauca in Gefahr

Der Verteidigungsminister Diego Molano Aponte verkündete am 15. Mai 2021, dass Mitglieder der FARC-Dissidenz hinter den Attacken gegen die Polizeistation und das Institut für Rechtsmedizin stecken und nannte vier angebliche Anführer und Verantwortliche – alias «Cheto», alias «Maíz», alias «Caleño» und alias «Andrés». Er setzte eine finanzielle Entschädigung von bis zu 50 Millionen kolumbianische Pesos (ca. 12.200 CHF) für Hinweise an, welche der Aufklärung des Sachverhalts dienen. Diese Aussagen wurden sowohl von den sozialen Organisationen, als auch vom Gouverneur des Cauca, Elías Larrahondo Carabalí abgelehnt, da zumindest die ersten drei genannten Personen als soziale Aktivisten anerkannt sind.

La Mala Hora

Der neuste Bericht von Somos Defensores zeigt in einer Anlehnung an das Werk La Mala Hora von Gabriel García Márquez, wie Kolumbien eine ‘schlechte Stunde’ erlebt. Eine schlechte Stunde für die Menschenrechte, eine schlechte Stunde für die Unabhängigkeit der Justiz, eine schlechte Stunde für den Frieden. Der Bericht beinhaltet neben der üblichen Analyse der Menschenrechtssituation in Kolumbien 2020 und dem Nachruf an die Verstorbenen auch einen spannenden Vergleich, der zum 30-jährigen Jubiläum zeigt, was die Verfassung von 1991 mit dem Friedensabkommen von 2016 zu tun hat.