01.04.2016 | Von Cornelia Britt/ ask!. Während dem die Gewalt durch die grösste Guerilla-Gruppe Farc in den letzten acht Monaten im Rahmen der Verhandlungen auf Kuba abgenommen hat, stellen verschiedene Organisationen eine Zunahme an Angriffen gegenüber MenschenrechtsverteidigerInnen fest. 2015 wurde alle sechs Tage ein/e AktivistIn getötet. ExpertInnen befürchten eine weitere Zunahme der Gewalt nach der Entwaffnung der Farc.
Tatsächlich waren die letzten acht Monate, seit denen die Farc einen einseitigen Waffenstillstand beschlossen hat, die friedlichsten seit den mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg in Kolumbien. Seit knapp vier Monaten gab es keine offensiven Angriffe seitens der Guerillagruppe mehr. Die Zahl der Opfer, der gefallenen und verletzten KämpferInnen und der Gewalttaten hat abgenommen.[1] Während man gemäss den Berichten vieler Medien auf einen baldigen Frieden hoffen könnte, kam es im letzten Jahr jedoch zu einer Zunahme an Gewalttaten gegenüber
MenschenrechtsverteidigerInnen, für die zu einem Grossteil paramilitärische Gruppen verantwortlich gemacht werden.
Gewalt gegen AktivistInnen durch paramilitärische Gruppen
Wenn auch die Angaben der verschiedenen Organisationen variieren, stellen alle im letzten Jahr einen Anstieg an Gewaltverbrechen gegenüber MenschenrechtsverteidigerInnen (namentlich Drohungen, Morde, Attentate, Verschwindenlassen, willkürliche Festnahmen und Diebstahl von Informationen) fest. Unter den Opfern waren Führungspersönlichkeiten sozialer und politischer Bewegungen, Mitglieder politischer Parteien und Gewerkschaftsangehörige. Gemäss dem neusten Bericht der Organisation „Somos Defensores“ haben Angriffe auf AktivistInnen zwischen 2014 und 2015 um 9 Prozent zugenommen. Insgesamt kam es im Jahr 2015 zu 682 Attacken. Bei den Morden wurde gar eine Zunahme von 13 Prozent konstatiert. Diesen Angaben zufolge wurde im letz ten Jahr alle sechs Tage eine Menschenrechts-verteidigerIn getötet.[2] Das Zentrum zur Analyse des Konflikts (Cerac) stellt für das Jahr 2015 gar eine Zunahme an Morden von 35 Prozent im Vergleich zu 2014 fest. Während im Jahr 2014 78 Personen ermordet wurden, waren es letztes Jahr 105 Opfer. Wie so oft in Kolumbien herrscht auch bei den Angriffen auf MenschenrechtsverteidigerInnen eine beinahe totale Straflosigkeit aufgrund des mangelhaften Justizapparates.[3] Für 66 Prozent der Fälle machen „Somos Defensores“ paramilitärische Gruppen verantwortlich. Bei einem Viertel der Angriffe waren die TäterInnen unbekannt und bei 7 Prozent handelte es sich um staatliche Akteure (Polizei, militärische Streitkräfte, u.a.). Schätzungen zufolge werden den Guerillagruppen Farc und ELN 0.5 Prozent der Angriffe zugeschrieben.[4]
Das Phänomen dieser paramilitärischen Gruppen sei sehr komplex, betont Ariel Ávila, Leiter der Stiftung „Paz y Reconciliación“. Das seien keine kriminellen Banden, wie es die kolumbianische Regierung Glauben machen möchte. Die paramilitärischen Gruppen begingen Morde und Drohungen nicht aus eigener Initiative, sondern seien Söldner, die jeder beauftragen könne. Der Direktor des Cerac, Jorge Restrepo, hält fest: „Der Paramilitarismus ist nicht komplett aus Kolumbien verschwunden, heute ist er aber anders als in den 90er Jahren. Er ist enger verbunden mit Konflikten im Zusammenhang mit der Rückgabe von Land und der Einforderung von Rechten und die Gewalt ist selektiver.“[5]
Weitere Gewaltzunahme nach Entwaffnung der Farc befürchtet
weiterlesen auf der Seite der ask:
http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/analysen-und-berichte-der-ask/zunahme-der-gewalt-gegen-menschenrechtsverteidigerinnen/