Ein Überblick von FIAN über die Landrechtssituation in vier lateinamerikanischen Ländern.
Land ist keine Ware sondern ein wesentlicher Faktor für die Verwirklichung vieler Menschenrechte. Sowohl Einzelpersonen als auch ganze Bevölkerungsgruppen können Land- und Eigentumsrechte genießen, die sie zum Zugang, zur Nutzung, zur Kontrolle und zur Übertragung von Land und Eigentum berechtigen. Die meisten Länder haben ein Kataster-System, um diese Rechte festzuhalten.
Auf nationaler und lokaler Ebene setzen sich Landrechte aus mehreren Ebenen geschriebener Gesetze sowie Bräuchen und Traditionen zusammen. Diese „Landrechte“ begründen jedoch nicht unbedingt ein Menschenrecht. Auch sind diese Landrechte – im Gegensatz zu den Menschenrechten – exklusive, nicht universale Rechte. Landrechte und Landrechtskonflikte werden normalerweise zwischen zwei privaten Personen (juristische oder natürliche) geklärt. Menschenrechte hingegen beziehen den Staat als Akteur mit ein. Er muss seine Schutz-, Respekt- und Gewährleistungspflichten erfüllen.
Zwar gibt es derzeit kein allgemeines Menschenrecht auf Land, doch verweisen mehrere internationale Menschenrechtsinstrumente bei Landfragen auf andere substanzielle Menschenrechte. So betrifft der Zugang zu Land das Recht auf Nahrung, auf Eigentum, auf angemessenen Wohnraum, auf Nichtdiskriminierung, kulturelle Identität und Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten. Aufgrund der starken Interdependenz des Zugangs zu Land mit dem Recht auf Nahrung können die drei Pflichten, die sich für einen Staat aus den Menschenrechten ergeben, als auch für den Zugang zu Land geltend bewertet werden – unabhängig davon, ob das Recht auf Land explizit niedergelegt ist. Beispielsweise haben die Vertragsstaaten des UN-Sozialpakts gegenüber dem Zugang zu Land eine Respekt-, Schutz- und Gewährleistungspflicht, da dieser Teil des Rechts auf Nahrung ist und Bäuer*innen, Indigene, Nomad*innen und andere Landbewohner keine Alternativen haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Der ehemalige Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung hat diese Interpretation übernommen: Regierungen müssen den Zugang zu Land achten, schützen und gewährleisten. Wo die ländliche Bevölkerung Zugang zu Land hat, dieser aber bedroht ist, muss er beschützt werden. Wo kein Zugang zu Land besteht, muss der Staat Reformen zur Umverteilung anstoßen. Wo die Landbevölkerung keinen Zugang zu Land hat, weil sie von ihrem Land vertrieben worden ist, muss der Staat für Restitution sorgen. Um dies zu tun, muss der Staat auch die Privatrechtsordnung entsprechend gestalten, muss eine rechtsfreundliche Auslegung durch die Rechtsprechung erfolgen und eine wirksame Rechtsdurchsetzung durch die Verwaltung.
Die vorliegende Gegenüberstellung belegt eine starke Landkonzentration in den untersuchten lateinamerikanischen Ländern. In Ecuador kann sich die Agrarwirtschaft nur noch in sensible Ökosysteme wie den Wald und die Berge ausdehnen; in Paraguay besitzen neun Prozent der Bevölkerung 94 % des fruchtbaren Landes. In Kolumbien sind nur 21 Prozent der Landtitel formalisiert, so dass sich rechtliche Ansprüche von indigenen Gemeinden kaum umsetzen lassen. Brasiliens Regierung fördert Landkonflikte besonders durch ihre industriell ausgerichtete Agrarpolitik, die es Plantagenbesitzer*innen ermöglicht, eine an Expansion orientierte Landwirtschaft zu betreiben.
Hier können Sie die vollständige Gegenüberstellung der Landrechte der vier lateinamerikanischen Länder als pdf downloaden: