Kolumbien-aktuell No. 594 und Monatsbericht | August 2019

Ex-Chefunterhändler Ivan Marquez kündet neue FARC-EP Guerilla an – Friedensprozess in Kolumbien stark gefährdet Am 29. August 2019 kündigte der ehemalige Chefunterhändler und Nummer zwei der ehemaligen Guerilla FARC-EP, Iván Márquez, gemeinsam mit weiteren ehemaligen Führungspersonen der FARC die Wiedergeburt und -bewaffnung der Guerilla an. Wegen dem Verrat der Regierung Kolumbiens am Friedensabkommen von 2016 […]

Ex-Chefunterhändler Ivan Marquez kündet neue FARC-EP Guerilla an – Friedensprozess in Kolumbien stark gefährdet

Am 29. August 2019 kündigte der ehemalige Chefunterhändler und Nummer zwei der ehemaligen Guerilla FARC-EP, Iván Márquez, gemeinsam mit weiteren ehemaligen Führungspersonen der FARC die Wiedergeburt und -bewaffnung der Guerilla an. Wegen dem Verrat der Regierung Kolumbiens am Friedensabkommen von 2016 seien die FARC-EP gezwungen, wieder zu den Waffen zu greifen. Márquez erwähnt dabei die seit der Unterzeichnung des Friedenabkommens über 500 ermordeten sozialen Führungspersonen, die 150 ermordeten ehemaligen KämpferInnen der FARC, die mangelnden juristischen Garantien und die einseitigen Vertragsänderungen sowie die verweigerte Umsetzung von Agrarreform und freiwilliger Kokasubstitution durch die Regierung.

Im 32-minütigen Video auf Youtube beruft sich Iván Márquez, unterstützt durch die ehemaligen FARC-Kommandanten Jesús Santrich, El Paisa und Romaña, auf das Recht auf Rebellion der Unterdrückten und verspricht, für ein würdiges Leben und eine gute Regierung zu kämpfen.

Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask!) nimmt zu dieser nicht völlig überraschenden Wiederbewaffnung von Teilen der FARC-EP wie folgt Stellung:

Die grosse Mehrheit der ehemaligen Kommandanten und KämpferInnen der FARC stehen weiterhin zum Friedensabkommen und engagieren sich aktiv für eine erfolgreiche soziale, wirtschaftliche und politische Wiedereingliederung in die kolumbianische Gesellschaft.

Der Wiedereingliederungsprozess der ehemaligen FARC-Mitglieder ist auf verschiedene Schwierigkeiten gestossen: unzureichend ausgestattete Demobilisierungs- und Übergangszonen, Verzögerungen bei der Amnestie für inhaftierte KämpferInnen, fehlende Investitionen für einkommensgenerierende Projekte und juristische Unsicherheiten.

Zusammen mit den zahlreichen Morden an ehemaligen Mitgliedern der Guerilla führten diese Schwierigkeiten dazu, dass viele ehemalige FARC-KämpferInnen die Übergangszonen verliessen. Ein Bericht der Stiftung FIP hält jedoch fest, dass nur ein sehr kleiner Teil der ehemaligen Mitglieder der Guerilla in illegale Aktivitäten verstrickt sind. Friedensprozesse und Postkonfliktphasen sind langwierig und schwierig. Gewalt und Umsetzungsverzögerungen nicht selten. Kolumbien steht trotz Schwierigkeiten und Verzögerungen in der Umsetzung im internationalen Vergleich gut da.

Aufruf für verstärkte Friedensanstrengungen

Vor diesem Hintergrund ruft die ask! die kolumbianische Zivilgesellschaft auf, sich noch stärker für den Frieden und die Rettung des Friedensabkommens einzusetzen und nicht den Rufen der Kriegstreiber zu erliegen. Die politische Partei der FARC rufen wir dazu auf, eindringlich darauf hinzuwirken, dass die ehemaligen KämpferInnen und Kommandanten im Reintegrationsprozess verbleiben.

Die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes durch Ivan Márquez und seine Mitstreiter halten wir – obwohl teilweise nachvollziehbar – für einen krassen Fehlentscheid, stärkt er doch nur die Friedensgegner und Kriegstreiber in der kolumbianischen Gesellschaft. Wir rufen sie inständig auf, von ihrem Vorhaben abzusehen und die Garantien zu suchen, um in den Friedens- und Reintegrationsprozess zurückzukehren.

Die Regierung Kolumbiens von Präsident Duque fordern wir auf, den staatlichen Verpflichtungen im Rahmen des Friedensabkommens vollumfänglich und rasch nachzukommen, und dabei insbesondere die Sicherheit und das Leben der ehemaligen Mitglieder der FARC-Guerilla und der sozialen Führungspersonen zu gewährleisten. Ebenso fordern wir sie auf, eine allfällige Rückkehr der Mitglieder der neuen FARC-EP in den Friedensprozess zu ermöglichen. Zudem fordern wir alle Parteien zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur bedingungslosen Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf.

Die Internationale Gemeinschaft, namentlich die Schweiz, die Europäische Union und die UNO, fordern wir auf, den Friedensprozess noch näher zu begleiten und zu überwachen.

I.   Artikel

Wiedereingliederung und Sicherheit der ehemaligen FARC-KämpferInnen

Mehr als zwei Jahre nach der Demobilisierung steht die Wiedereingliederung der ehemaligen FARC-KämpferInnen immer noch am Scheideweg. In der gegenwärtigen Wahlkampfphase nehmen Drohungen, Gewalt und Morde an FARC-Mitgliedern laufend zu und gefährden damit die gesellschaftliche Wiedereingliederung. Die Stiftung Ideen für den Frieden (FIP) hat den Stand der Wiedereingliederung untersucht und Empfehlungen zur Verbesserung von Sicherheit sowie sozialer und ökonomischer Wiedereingliederung formuliert.

(Von Fabian Dreher)

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/konfliktdynamik-und-bewaffnete-akteure/wiedereingliederung-und-sicherheit-der-ehemaligen-farc-kaempferinnen/

Handbuch für den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen

Wer sich in Kolumbien für die Menschenrechte einsetzt, lebt gefährlich. Während die Mordrate in den letzten Jahren eher rückläufig war, hat die Gewalt gegen MenschenrechtsverteidigerInnen und soziale Führungspersonen deutlich zugenommen. 2018 wurde in Kolumbien im Durchschnitt einE MenschenrechtsverteidigerIn pro Tag ermordet. Entsprechend hoch ist der Schutzbedarf für MenschenrechtsverteidigerInnen. In einem Handbuch analysiert die NGO Somos Defensores die bestehenden Schutzmechanismen und ihre Anwendungsgebiete.

(Von Fabian Dreher)

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/frieden-von-unten/handbuch-fuer-den-schutz-von-menschenrechtsverteidigerinnen/

Kokafläche ging 2018 leicht zurück, Einsatz von Glyphosat weiterhin umstritten

Der Vertreter des Büros der Vereinten Nationen gegen Drogen und Delikte in Kolumbien, Pierre Lapaque, hat am 2. August 2019 zusammen mit Präsident Duque die Zahlen zur Kokaanbaufläche für 2018 veröffentlicht. Gegenüber Ende 2017 sank die Fläche bis zum 31. Dezember 2018 von 171’000 Hektaren auf 169’000 Hektaren, ein Rückgang um 1,2 Prozent. Es ist zwar nur ein kleiner Rückgang, aber Duque feiert es als grossen Erfolg seiner Politik.

(Von Stephan Suhner)

http://www.askonline.ch/themen/natuerliche-ressourcen-und-agrarfrage/drogen/zahlen-kokaflaeche-2018-und-polemik-um-glyphosat/

 

II.            Monatsbericht

Die umstrittene Umleitung des Arroyo Bruno

Einer der vielen Konflikte zwischen den Gemeinschaften im Einflussbereich der Kohlenmine El Cerrejón und dem Minenunternehmen ist die Umleitung des Flusses Arroyo Bruno und die Erweiterung des Minenabschnittes La Puente. Auf meiner Dienstreise im Juli 2019 hatte ich zusammen mit weiteren internationalen BeobachterInnen aus den USA, Italien und Grossbritannien Gelegenheit, die Flussumleitung zu besichtigen und einer öffentlichen Anhörung zur Umleitung und zur Umsetzung des Urteils des Verfassungsgerichtes vom 24. Januar 2919 beizuwohnen. Der Arroyo Bruno wird seit mehreren Monaten umgeleitet, der Hauptstreitpunkt ist, ob die hydraulische Sperre aufgehoben und der Fluss in den ursprünglichen Lauf zurückkehren können soll oder nicht. Zudem verlangt das Urteil des Verfassungsgerichtes, dass die betroffenen Gemeinschaften an einem interinstitutionellen Verhandlungstisch gleichberechtigt teilnehmen können, was bis heute nicht der Fall ist.

(Von Stephan Suhner)

http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/reisebericht-arroyo-bruno/

 

III.      Apropos

Kolumbien verliert Schiedsverfahren gegen Glencore Prodeco und muss 19 Millionen USD bezahlen

Heute wurde der kolumbianische Staat vom Weltbankschiedsgericht ICSID dazu verurteilt, über 19 Millionen USD an Glencore Prodeco zu bezahlen. Glencore Prodeco hatte im März 2016 eine Klage eingereicht, nachdem der kolumbianische Rechnungsprüfungshof (Contraloria) eine Änderung der Höhe der Royalties zu Gunsten von Prodeco für unrechtmässig erklärte und Glencore Prodeco zu einer Busse über gut 18 Millionen USD verdonnerte. Die Contraloria sagte, dass mit der Abänderung des Bergbauvertrages für die Mine Calenturitas und der Senkung der Royalties dem Staat wertvolle und notwendige finanzielle Ressourcen entgehen. Nun muss der kolumbianische Staat also diese Busse an Glencore Prodeco zurückbezahlen, inklusive akkumulierter Zinsen.

https://www.bluradio.com/nacion/estado-colombiano-tendra-que-pagar-mas-de-19-millones-de-dolares-glencore-y-prodeco-224773-ie435

Frühere Artikel zum Thema:

http://www.askonline.ch/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/bergbau-und-rohstoffkonzerne/glencore-in-kolumbien/klage-glencores-gegen-kolumbianischen-staat/

http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/schaedliche-investionsschutzverfahren/

Präsident Duque tut wenig für den Frieden

Oppositionelle PolitikerInnen im Kongress haben ein Dokument über die Herausforderungen für die Umsetzung des Friedensabkommens unter der Regierung Duque veröffentlicht. Die Analyse basiert dabei auf offiziellen Quellen, gemäss denen 57 Prozent der Gesetze für die Umsetzung des Friedensabkommens noch im Kongress hängig sind.

Die rasche Umsetzung ist für den Erfolg von Friedensabkommen entscheidend. Denn gemäss dem KROC Institut für Friedensforschung kehren nicht weniger als 50 Prozent aller Länder in den fünf Jahren nach Friedensschluss zum Krieg zurück.

Der internationalen Gemeinschaft verspricht Präsident Duque zwar bei jeder Gelegenheit, das Friedensabkommen vollständig umzusetzen. Nur ist in den bisher von seiner Regierung präsentierten Budgets nichts davon zu sehen. Die zur Umsetzung von Punkt 1 vorgesehenen Bodenfonds und die territorialen Entwicklungspläne kommen kaum vom Fleck und sind massiv unterdotiert. Die in Punkt 2 vereinbarten politischen Reformen werden von der rechtskonservativen Regierungspartei Centro Democrático systematisch hintertrieben. Die Situation der ehemaligen FARC-KämpferInnen ist schwierig. 83 Prozent von ihnen nehmen an keinem produktiven Projekt teil und ihre Sicherheit ist ausserhalb der Übergangszonen nicht gewährleistet. Bereits wurden über 100 von ihnen ermordet. Der Übergangsjustiz, der Wahrheitskommission und der Sucheinheit für Verschwundene werden laufend die Budgets gekürzt und ihre Unabhängigkeit wird von staatlichen Organen und der Regierung immer wieder in Frage gestellt. Die bisher unter der Regierung Duque erzielten Fortschritte kamen nur auf Druck der Bevölkerung und der Opposition zu Stande. Die Regierung hat bisher den Frieden im Stich gelassen.
https://www.contagioradio.com/gobierno-duque-poco-paz/

Wozu braucht Kolumbien ein Bodenkataster?

Kolumbien erhält von der Weltbank einen Kredit über 100 Millionen USD um bis 2025 ein vollständiges, multifunktionales Bodenkataster zu erstellen. Damit sollen die Grundlagen für die Umsetzung von Punkt 1 des Friedensabkommens mit den FARC, die Landreform, gelegt werden. Nach Plänen der Regierung sollen bereits 2022 mindestens 60 Prozent des nationalen Territoriums im Bodenkataster registriert sein, 2025 dann das gesamte Staatsgebiet.

Grösste Herausforderung dürfte dabei die Beschaffung der relevanten Informationen vor Ort sein. Denn nur gerade 5,68 Prozent der Gemeinden Kolumbiens verfügen gegenwärtig über aktualisierte Katasterinformationen. Gemäss einer Untersuchung des geografischen Instituts IGAC im März 2015 waren nur 46 Prozent von 3‘293‘219 Parzellen im ländlichen Raum im Grundbuch verzeichnet, in den urbanen Gebieten lag dieser Anteil bei 68 Prozent.

Ein multifunktionales Kataster sichert die Eigentumsrechte von Grundeigentümern und wirkt damit Zwangsvertreibungen, Landraub und Rechtsunsicherheit entgegen. Zudem erlaubt es ein aktualisiertes Kataster dem Staat, den Grundbesitz gerecht zu besteuern und damit seine gesellschaftlichen Funktionen zu finanzieren.

https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/12154-catastro-multiproposito-para-que-sirve-y-como-se-haria.html

https://www.contagioradio.com/inventario-tierras-catastro-multiproposito/

Freiheit für Sara und Tulia

Nach anderthalb Jahren in Haft wurden Sara Quiñones und Tulia Maris, beide Mitglieder des afrokolumbianischen Gemeinschaftsrats von Alto Mira und Frontera (Gemeinde Tumaco, Nariño) endlich freigelassen. Wie ask! 2018 verschiedentlich berichtete wurden die beiden im Frühjahr 2018 verhaftet, nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Unterstützung einer illegalen Organisation (ELN) und Rebellion erhoben hatte. Die ask! hat sich mehrfach für eine fairen Prozess und eine rasche Freilassung eingesetzt und die beiden im Ende August 2018 im Gefängnis besucht.

Gemäss der afrokolumbianischen Koordination Proceso de Comunidades Negras (PCN) wurden die beiden auf Grund ihres Einsatzes für die Autonomie ihrer afrokolumbianischen Gemeinschaft Opfer einer politischen Justiz, die Selbstorganisation mit Widerstand gegen den Staat verwechselt. Die Freilassung ist kein Freispruch, aber offensichtlich ist es der untersuchenden Staatsanwaltschaft in den letzten 18 Monaten nicht gelungen, Beweise für ihre Anklagepunkte zu finden. Zumindest können Sara und Tulia nun mit ihren Familien und ihrer Gemeinschaft auf einen möglichen Prozessbeginn warten.

https://www.contagioradio.com/luego-de-18-meses-las-lideresas-sara-quinones-y-tulia-valencia-recobran-la-libertad/

Buenaventura: eine Stadt am Abgrund

In der Hafenstadt Buenaventura an der kolumbianischen Pazifikküste liefern sich illegale bewaffnete Gruppierungen seit Jahren Kämpfe um die territoriale Kontrolle und die damit verbundenen lukrativen Handelsrouten für illegale Güter. Seit dem Abschluss des Friedensabkommens mit den FARC haben die Gewalt und die bewaffneten Auseinandersetzungen noch zugenommen. Paramilitärische Organisationen, Splittergruppen der ehemaligen FARC und der ELN liefern sich beinahe täglich gewalttätige Auseinandersetzungen und finden in der grösstenteils marginalisierten Bevölkerung zahlreiche willige Helfer. Von den ca. 430‘000 BewohnerInnen der Gemeinde Buenaventura gelten über ein Drittel, 150‘000 Personen, als Zwangsvertriebene.

Obwohl über den Hafen von Buenaventura schätzungsweise 50 Prozent des internationalen Handels von Kolumbien abgewickelt werden, vernachlässigt die Regierung in Bogotá die Region seit jeher. Präsenz zeigen nur gerade die Polizei und die Armee, die auf Grund ihrer gewaltsamen Manöver in der Bevölkerung kaum mehr Vertrauen geniessen als die illegalen bewaffneten Gruppierungen. Vom Staat verlassen, setzte der Bischof von Buenaventura Anfang Juli auf göttliche Hilfe in der Form von Weihwasser zur Beendigung der endemischen Gewalt in der Stadt.

https://www.contagioradio.com/buenaventura-la-ciudad-que-encarna-el-estado-fallido/

https://www.domradio.de/themen/weltkirche/2019-07-14/weihwasser-als-hilfeschrei-bischof-startet-spektakulaere-aktion-gegen-gewalt-kolumbien

Gesetzesprojekte gegen den Frieden

Präsident Duque betont zwar bei jeder Gelegenheit seinen Willen, das Friedensabkommen mit den FARC von 2016 umzusetzen. Seine Partei, der Centro Democrático, legt jedoch unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe laufend Gesetzesprojekte vor, die dem Abkommen diametral entgegenstehen. Aktuell sind nicht weniger als elf Gesetzesentwürfe des Centro Democrático im Kongress hängig, die dem Friedensabkommen zuwiderlaufen.

So sollen gemäss einem Entwurf Opfer von Zwangsvertreibungen bei Landrückerstattungsprozessen nicht mehr automatisch ihr Land zurück erhalten, sondern auch umgesiedelt oder entschädigt werden können. Damit werden LandbesetzerInnen, egal ob sie für die Vertreibung verantwortlich sind oder nicht, für ihr rechtswidriges Verhalten belohnt.

Ein zweites Gesetzesprojekt will die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) mit der Schaffung einer Sonderkommission für die Verbrechen der staatlichen Sicherheitskräfte schwächen. Präsident Duque versuchte diese Änderung bereits in das aktuelle Rahmengesetz der JEP aufzunehmen, die Änderung wurde jedoch vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig zurückgewiesen.

Mit gleich mehreren Gesetzesentwürfen schliesslich will der Centro Democrático zukünftige Friedensverhandlungen mit dem Nationalen Befreiungsheer ELN verhindern. Damit würde der ewige Bürgerkrieg Kolumbiens auf gesetzlicher Ebene zementiert.

https://www.semana.com/nacion/articulo/once-proyectos-legislativos-del-centro-democratico-que-bloquean-la-paz/626123

Gewalt gegen Medienschaffende

Gemäss der NGO Reporter ohne Grenzen (ROG) herrscht in Kolumbien zunehmend wieder ein Klima der Gewalt und Einschüchterung gegen JournalistInnen und Medienschaffende. Seit dem Amtsantritt von Präsident Duque im August 2018 hat sich in Kolumbien der interne Konflikt wieder verschärft. Medienschaffende geraten dabei zunehmend ins Kreuzfeuer zwischen Splittergruppen der Guerilla, rechten Paramilitärs und dem Staat. ROG fordert, Drohungen und Angriffe gegen JournalistInnen konsequent strafrechtlich zu verfolgen und den Schutz der Medienschaffenden zu erhöhen.

Im laufenden Jahr wurden in Kolumbien bereits zwei Medienschaffende ermordet. Mehrere JournalistInnen gerieten nach der Aufdeckung eines Militärskandals massiv unter Druck und wurden von PolitikerInnen diffamiert, so dass sie aus dem Land fliehen mussten. Das Militär selbst sucht inzwischen unter Hochdruck und mit fragwürdigen Methoden nach den Quellen der „Indiskretionen“.

Die kritische Berichterstattung ist insbesondere in den ländlichen Regionen Kolumbiens schwierig und gefährlich. Besonders betroffen sind alternative und zivilgesellschaftliche Medien. Das kolumbianische Verfassungsgericht bestätigte am 27. Mai 2019, das lokal Berichterstattende besonders gefährdet sind und betonte, dass der Staat Angriffe auf JournalistInnen verhindern müsse. Dies scheint jedoch nicht eine Priorität der Regierung Duque zu sein. Nach Mexiko ist Kolumbien weiterhin das gefährlichste Land Lateinamerikas für Medienschaffende. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Kolumbien auf Platz 129 von 180 Staaten.

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/verschaerftes-klima-der-gewalt-gegen-medienschaffende/

Neuauflage politischer Kriegsführung unter Präsident Duque

Drei Angehörige des kolumbianischen Senats haben Anfang Juli 2019 eine Klage gegen den kolumbianischen Geheimdienst DNI eingereicht. In der Klage zitieren die Senatoren verschiedene Quellen gemäss denen der DNI Schmierenkampagnen gegen Oppositionspolitiker vorbereitet habe. Erklärtes Ziel der geplanten Kampagnen war es, Kritiker von Präsident Duque und seinem Mentor, den ehemaligen Präsidenten Alvaro Uribe, zum Schweigen zu bringen.

Erstaunlich ist, wie identisch die Mittel von Uribe und Duque scheinbar sind. Geriet doch der von Uribe gegründete Geheimdienst DAS ab 2008 auf Grund einer Anklage von Senator Gustavo Petro massiv unter Druck und wurde schliesslich durch den Nachfolger von Präsident Uribe, Juan Manuel Santos, aufgelöst. Die juristische Aufarbeitung des sogenannten DAS-Skandals dauert bis heute an. Der amtierende Direktor des DNI, Rodolfo Amaya, ist dabei kein Unbekannter. Uribe ernannte Amaya 2002 zum Obersten Militärberater seiner Regierung.

https://colombiareports.com/colombias-intelligence-agency-plotting-political-warfare-against-peace-advocates/

https://www.contagioradio.com/direccion-nacional-de-inteligencia-contra-oposicion/

Privates Geld für die staatlichen Sicherheitskräfte

Gemäss dem Investigativportal La Liga contra el silencio (Liga gegen das Schweigen) und der NGO Rutas del Conflicto (Wege des Konflikts) haben zwischen 2004 und 2019 über 70 Firmen aus den Sektoren Bergbau und Ölförderung Verträge mit der kolumbianischen Staatsanwaltschaft, der Armee und der Polizei abgeschlossen. Gemäss diesen Verträgen bezahlen die Unternehmen für die Sicherheit und die Verfolgung von Delikten im Umfeld ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten. Aufgaben, die diese staatlichen Akteure eigentlich gemäss Verfassung überall und unabhängig wahrnehmen müssen.

Die Bevölkerung in den Gebieten, für die solche Verträge abgeschlossen wurden, berichten von Missbräuchen, Übergriffen und Verfolgungen durch die staatlichen Sicherheitskräfte. Aktivistinnen und soziale Führungspersonen werden willkürlich verhaftet, bedrängt, bedroht und juristisch sowie physisch verfolgt. Es scheint als kaufen sich die Unternehmen mit der Sicherheit auch gleich die Loyalität der staatlichen Sicherheitskräfte.

Gemäss der Verfügung 5342 von 2014 des Verteidigungsministeriums sind solche Verträge nur möglich, wenn sie die nationale Sicherheit fördern, was jedoch von den staatlichen Organen äusserst freizügig interpretiert wird. Die Untersuchung von Liga contra el silencio und Rutas del conflicto zeigt zudem Unregelmässigkeiten bei vielen Verträgen auf. So werden viele Gelder nicht für eigentliche Sicherheitsaufgaben verwendet, sondern finanzieren Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte teils auch den Urlaub. Zudem finanzieren Polizei und Armee auch Ausgaben ausserhalb der bezeichneten Gebiete über solche Verträge.

Auch wenn die Verträge in allen Punkten den gesetzlichen Vorschriften entsprechen würden, hinterlassen sie demokratiepolitisch einen schalen Geschmack. Es entsteht der Eindruck einer käuflichen Justiz und käuflicher Sicherheit im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols. Die Verträge sollten der rechtlichen Gleichbehandlung durch die staatlichen Organe überprüft und beschränkt werden.

https://ligacontraelsilencio.com/2019/07/24/petroleras-y-mineras-financian-a-la-fuerza-publica-y-a-la-fiscalia/

Präsident Duque an Protestmärschen nicht willkommen

Am 26. Juli 2019 fanden in ganz Kolumbien und weltweit über 50 Protestmärsche für den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen und sozialen Führungspersonen statt, an denen zehntausende Menschen die Untätigkeit der kolumbianischen Regierung kritisierten. Gemäss Medienberichten wollte Präsident Duque die Forderungen der Kundgebungen unterstützen, ein offizielles Statement seiner Regierung blieb jedoch aus. Von der Protestkundgebung in Cartagena wurde Präsident Duque nach wenigen Minuten vertrieben. In Medellín riefen die Protestierenden „Mörder, Mörder“ als sie an der Hauptwache der Polizei vorbeimarschierten, da regelmässig Berichte über Kriegsverbrechen und Verbindungen der staatlichen Sicherheitskräfte zu paramilitärischen Gruppierungen publik werden.

https://colombiareports.com/was-duque-going-to-march-in-support-of-colombias-human-rights-defenders/

https://colombiareports.com/president-expelled-from-march-in-support-of-colombias-human-rights-defenders/

IV.          Tipps und Hinweise

Multimediale Ausstellung: Memorias de Tierra

Das Schicksal der Gemeinde El Hatillo in Kolumbien, die dem Bergbau zum Opfer fällt

Mit Julia Schmidt, Comundo Fachperson und Stephan Suhner, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask!)

Donnerstag, 5. September 2019 um 19:00 Uhr im RomeroHaus, Luzern

Montag, 9. September 2019 um 19:00 Uhr im Polit-Forum Käfigturm, Bern

Die kleine Gemeinde El Hatillo in Nordkolumbien wird verschwinden – geopfert dem Abbau der Bodenschätze durch internationale Konzerne. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden umgesiedelt. Welche sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen hat der exzessive Kohleabbau in der Region Cesar für diese kleinbäuerlich geprägte Bevölkerung? Diesen Fragen geht das Multimediaprojekt „Memorias de Tierra – das Schicksal von El Hatillo“ nach, das die Journalistin und Comundo-Fachperson Julia Schmidt vorstellt. Stephan Suhner der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, die El Hatillo seit über zehn Jahren begleitet erklärt die rechtliche Situation von El Hatillo und welche Auswirkungen die Konzernverantwortungsinitiative hätte.

Mit Virtual-Reality-Brillen können die BesucherInnen sich selbständig im Dorf bewegen und den Alltag der Bevölkerung von El Hatillo und die Auswirkungen der Umweltzerstörung selber erleben. Die Ausstellung soll auch die Erinnerung an El Hatillo am Leben erhalten. Ein Fotobuch bietet weitere visuelle Zeugnisse und Informationen zur untergehenden Gemeinde.

Veranstaltungsflyer (PDF)

 

Marta spielt – Soli Pub Quiz by ask!

Kommt und testet euer Wissen zu Kolumbien! Denn Kolumbien ist so viel mehr als Salsa, Shakira, Drogenkartelle oder neuste Traumdestination für Reisehungrige. Dazu könnt ihr köstliche kolumbianische Empanadas und eine Agua de Panela geniessen. Mit kolumbianischen Überraschungspreisen für die Gewinnerteams!

Montag, 10. September 2019, ab 20:00 Uhr

Startgeld pro Team: 10.- / 20.- (Soli)

Die Einnahmen kommen der Friedens- und Menschenrechtsarbeit der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask!) zu Gute, die der kolumbianischen Zivilbevölkerung seit über 30 Jahren eine Stimme gibt.

Reservation ab 3. September 2019 an info@cafemarta.ch

http://www.askonline.ch/veranstaltungen/

 

Vortrag: die Lage der sozialen Führungspersonen in Kolumbien

Abel Coicué, soziale Führungsperson der indigenen Nasa im Norden des Departements Cauca, spricht über die Drohungen und Gewalt gegen soziale Führungspersonen in Kolumbien. Als ehemaliger Gouverneur des Indigenenreservats Huellas in der Gemeinde Caloto sowie als Radiomoderator wird Abel immer wieder wegen seinem Einsatz zum Schutz der Territoriums bedroht.

Am Montag, 23. September 2019 um 19:00 Uhr lädt er zu einem Vortrag und Gespräch im Käfigturm Bern (Polit-Forum Bern) ein.

Veranstaltungsflyer: http://www.askonline.ch/fileadmin/user_upload/documents/Veranstaltungen/2019.09.23_Flyer_Veranstaltung_Abel_Coicue.pdf

V.            Lesenswerte Artikel

–       Mordanschlag in Bogotá gegen den Anwalt von Alias Jesús Santrich, Gustavo Gallardo: https://www.contagioradio.com/bogota-atentan-gustavo-gallardo/

–       AktivistInnen sozialer Bewegungen leben gefährlich in Kolumbien: https://www.rosalux.de/publikation/id/40597/mobilisieren-unter-lebensgefahr/

–       Gewerkschaftsmitglieder sind in Kolumbien massiver Gewalt ausgesetzt: http://semanariovoz.com/violencia-sindical-colombia-los-peores-del-mundo/

–       Die Nationalstrassen in Kolumbien sind in einem schlechten Zustand: https://razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/12094-asi-estan-las-carreteras-colombianas.html

–       LGTBQ-Rechte im lateinamerikanischen Vergleich: http://todaycolombia.com/how-progressive-is-lgbtq-rights-legislation-in-latin-america/

–       Abholzung und fehlendes Abfallmanagement verursachen Müllberge an der kolumbianischen Karibikküste: https://www.razonpublica.com/index.php/regiones-temas-31/12056-asi-se-formo-la-isla-de-basura-en-puerto-colombia.html

–       Auch in Kolumbien wehrt sich die Jugend für die Umwelt: https://www.dw.com/en/colombias-youth-fighting-for-the-amazon-in-the-courts-and-on-the-streets/a-49523373

–       Kann der Río Bogotá gerettet werden? https://www.razonpublica.com/index.php/regiones-temas-31/12171-rio-bogota-recuperarlo-o-construir-en-el.html

–       Kolumbianische MilchbäuerInnen möchten mehr Käse verkaufen: https://caracol.com.co/programa/2019/08/10/al_campo/1565465737_356193.html

 

 

Redaktion: Fabian Dreher