Zusammen mit über 60 Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen lancierte die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask!) 2015 die Konzernverantwortungsinitiative (KOVI). Ziel ist es, dass multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen die sie in anderen Ländern verursachen zur Verantwortung gezogen werden können. Die Initiative wurde 2016 eingereicht, inzwischen unterstützen 105 Hilfswerke, Frauen-, Menschenrechts- und Umweltorganisationen, kirchliche und gewerkschaftliche Vereinigungen sowie Aktionärsverbände die Initiative.
Im Rahmen der Kampagne für die KOVI lud die ask! Samuel Arregocés, Gemeindesprecher der afrokolumbianischen Gemeinschaft Tabaco sowie Jenny Paola Ortiz von der NGO CINEP ein, damit sie in der Schweiz über die Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden der Kohlemine El Cerrejón, an der Glencore mit 33% beteiligt ist, berichten. Gemeinsam mit der ask! informierten unsere Gäste, wie die KOVI den Betroffenen helfen kann. Wer ihren Vortrag verpasst hat, liest am Besten unser Interview mit Samuel und Jenny im Monatsbericht.
Die Konzerne lobbyieren gleichzeitig mit allen Kräften, damit ihre VertreterInnen im National- und Ständerat die Initiative verzögern und den indirekten Gegenvorschlag verwässern. Die aktuell zuständige Ständeratskommission hat in der Herbstsession beschlossen, Anhörungen zum Gegenvorschlag durchzuführen. Damit verzögert sich eine Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten, eine Volksabstimmung ist damit vor 2020 nicht zu erwarten. Zusammen mit unseren Partnern werden wir jedoch weiterhin die Bevölkerung über die Vorteile von KOVI informieren und damit hoffentlich eine Mehrheit für Menschenrechte und Umweltschutz mobilisieren. Wir bleiben am Ball!
I. Artikel
Zunahme des Kokaanbaus in Kolumbien
2017 hat die Anbaufläche von Koka in Kolumbien um 17 Prozent und die Menge des produzierten Kokains um 31 Prozent zugenommen. Die auf Druck der USA von Kolumbien umgesetzte Drogenpolitik ist gescheitert, Gesellschaft und Politik tun sich jedoch schwer mit der Suche nach Alternativen. Damit halten sie weiterhin eine tödliche Maschinerie am Leben und versorgen sie mit Milliardenbeträgen. Leidtragende sind KleinbäuerInnen und KonsumentInnen.
(Von Fabian Dreher)
Pausenloser Krieg im Catatumbo
Die Regierung von Präsident Iván Duque hat beschlossen, zusätzliche Truppen in die Region Catatumbo im Departement Norte de Santander zu senden, obwohl bereits 12‘000 Soldaten und 4000 Polizisten in der Region stationiert sind. Zivilgesellschaftliche Organisationen zeigen sich über den Schritt besorgt. Haben doch vergangene Erhöhungen der militärischen Präsenz nicht zu einer Verbesserung der Sicherheitslage geführt. Im Gegenteil erreichte die Gewalt jeweils nach einer Aufstockung der staatlichen Sicherheitskräfte neue Spitzenwerte.
(Von Fabian Dreher)
II. Monatsbericht: El Cerrejón: Der Kampf der Afros und Indigenen um sauberes Wasser und gesicherte Lebensgrundlagen
Auf Einladung der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien berichteten Samuel Arregocés, Gemeindesprecher der afrokolumbianischen Gemeinde Tabaco sowie Jenny Paola Ortiz von der NGO CINEP an insgesamt zehn öffentlichen Vorträgen in der Schweiz über die Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, die die Kohlemine El Cerrejón in Nordkolumbien verursacht. Gemeinsam mit dem Publikum diskutierten sie über den schwierigen Alltag der durch den Kohleabbau betroffenen Gemeinschaften und wie die Schweizer Konzernverantwortungsinitiative (KOVI) die Situation der Betroffenen verbessern kann.
(Von Stephan Suhner)
III. Apropos
Gescheiterte Friedensverhandlungen
Nachdem die Regierung unter dem neuen Präsidenten Iván Duque keinen Willen zeigt, die Friedensverhandlungen mit dem ELN wieder aufzunehmen, gelangte Pablo Beltrán, der Chef der Verhandlungsdelegation des ELN mit einem Verhandlungsgesuch an die Friedenskommission des Senats. Dieses Gesuch blieb jedoch unbeantwortet. Das ELN warf der Regierung daraufhin vor, die Verhandlungen zu torpedieren und auf eine militärische Lösung zu setzen. Darauf deutet auch die Ausschreibung des ELN-Kommandanten Nicolás Rodriguez zur weltweiten Fahndung via Interpol hin.
Das ELN bekräftigte jedoch weiterhin sein Interesse an Friedensverhandlungen und einem gegenseitigen Waffenstillstand. Präsident Duque signalisierte, dass Friedensverhandlungen erst möglich sind, wenn das ELN sämtliche Geiseln freilässt (wie bereits im September geschehen) und gewalttätige Aktionen unterlässt. Dies käme einem einseitigen Waffenstillstand gleich, eine Bedingung, die das ELN wohl kaum akzeptieren kann. Damit nimmt die Regierung von Iván Duque ein Ende der seit Februar 2017 andauernden Friedensverhandlungen sowie eine Zunahme der Gewalt in Kauf.
Proteste für die öffentlichen Universitäten
Die öffentlichen Universitäten Kolumbiens werden zum Opfer ihres Erfolgs. Die Anzahl der an den öffentlichen Universitäten Immatrikulierten hat sich zwischen 2003 und 2017 beinahe verdoppelt. 2017 studierten über 660‘000 Personen an den öffentlichen Universitäten. Die Finanzierung hinkt dieser Entwicklung hinterher. Die öffentliche Hand finanziert gerade Mal 52 Prozent der Budgets der öffentlichen Universitäten, über 40 Prozent erbringen diese aus eigenen Mitteln. Die Immatrikulationsgebühren haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was vor allem arme StudentInnen zunehmend von einem akademischen Studium ausschliesst.
Neben der höheren Bildung sind auch die unteren und mittleren Bildungsstufen chronisch unterfinanziert. Im Haushaltsentwurf der Regierung für 2019 geht die Bildung jedoch leer aus. Während das Verteidigungsministerium deutlich mehr Geld erhält, wird das Budget für Bildung nicht erhöht. Aus diesem Grund hat die StudentInnenbewegung der öffentlichen Universitäten einen mehrtägigen Protest beschlossen und am 10. Oktober begonnen, der bis heute andauert. Die Proteste sind grossteils friedlich, in Antioquia kam es zu einzelnen Auseinandersetzungen mit der Aufstandsbekämpfungspolizei ESMAD. Inzwischen solidarisieren sich auch ProfessorInnen DozentInnen und Lehrbeauftragte mit den StudentInnen und sind in einen unbefristeten Streik getreten.
https://www.elespectador.com/noticias/educacion/ahora-los-profesores-iran-paro-articulo-819428
Volksabstimmungen können Bergbauvorhaben nicht verhindern
Mit gemäss der kolumbianischen Verfassung garantierten Volksabstimmungen (consultas populares) konnten Gemeinden bisher selbst über ihre wirtschaftliche Entwicklung entscheiden. Damit konnte die Bevölkerung ländlicher Gemeinden teils gravierende Eingriffe in Landschaft, Umwelt und Wasserhaushalt durch grosse Bergbauvorhaben verhindern. In den letzten fünf Jahren haben insgesamt neun Gemeinden von diesem Instrument Gebrauch gemacht. In allen Volksabstimmungen haben sich zwischen 97 und 99 Prozent der abstimmenden Bevölkerung gegen die Bergbauvorhaben ausgesprochen.
Mit einem fatalen Entscheid beschneidet das Verfassungsgericht nun die Möglichkeit der Gemeinden, selbst über ihr Territorium zu bestimmen. Gemäss Verfassung gehört der Untergrund dem Staat und wie das Verfassungsgericht nun festgehalten hat entscheidet damit auch der Staat über die Nutzung des Untergrunds. Damit korrigiert das Verfassungsgericht sein Urteil von 2014, dem gemäss Gemeinden mittels Volksabstimmungen Bergbauvorhaben verhindern konnten. Unklar ist, wie sich dieser Entscheid auf die neun Gemeinden auswirkt, die mittels consultas populares den Bergbau von ihrem Gebiet verbannt haben. Ebenso unsicher ist die Lage für Gemeinden, in denen weitere Volksabstimmungen bereits geplant sind. Während die Gemeinde San Bernardo (Cundinamarca) die Abstimmung sistierte, führte Fusagasugá (ebenfalls Cundinamarca) die Abstimmung durch, wobei sich über 99 Prozent gegen Bergbau und Ölforderung aussprachen.
Auch auf der gesetzlichen Ebene sieht es nicht gut aus für die Volksbefragungen. Das Verfassungsgericht hielt in seinem Urteil zwar fest, dass es gesetzliche Bestimmungen brauche, damit die Volksabstimmungen verbindlichen Charakter erhalten. Die Pläne der Regierung und der Kongressmehrheiten gehen aber in die entgegengesetzte Richtung. Die Möglichkeiten der betroffenen Bevölkerung und der Gemeinden bei Bergbau- und Förderprojekten auf ihrem Gebiet mitzuentscheiden, sollen stark eingeschränkt oder gar ganz abgeschafft werden. Die Regierung verfolgt damit wie im Wahlkampf angekündigt eine bergbaufreundliche Politik und setzt vollständig auf das extraktive Modell zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Der betroffenen Zivilbevölkerung wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als ihre Rechte mittels sozialen Protesten zu erstreiten. Angesichts der vielen äusserst umstrittenen Bergbauvorhaben dürften Auseinandersetzungen nicht lange auf sich warten lassen.
http://m.eltiempolatino.com/news/2018/oct/12/los-9-municipios-en-colombia-que-le-dijeron-no-la-//
Ungleichheit und Bergbau zerstören Wälder und Biodiversität
Die hohe Ungleichheit in Kolumbien fördert das Abholzen der Wälder und der Staat ergreift nur zögerlich Massnahmen um diese bedenkliche Entwicklung zu stoppen oder zumindest zu bremsen. Die zuständigen Institutionen sind schwach und erhalten kaum Mittel um gegen die Abholzung vorzugehen. Auch das Friedensabkommen hat die Problematik kaum entschärft, in einigen Regionen hat die Abholzung sogar zugenommen.
Die Wälder Kolumbiens beherbergen eine hohe Biodiversität, die nur von wenigen Gebieten auf der Erde übertroffen wird. Diese Biodiversität ist durch Abholzung, den menschgemachten Klimawandel sowie den Bergbau stark bedroht. Während im kolumbianischen Amazonas noch 85 Prozent der natürlichen Ökosysteme vorhanden sind, bestehen in den andinen Regionen nur noch 14 Prozent und auch diese werden oft von der wirtschaftlichen Entwicklung bedroht.
Der Bergbau gehört gegenwärtig zu den grössten Treibern der Abholzung und Zerstörung von Biodiversität. Über 5 Millionen Hektaren werden in Kolumbien bereits für den Bergbau genutzt. Damit ist der Landverbrauch des legalen Bergbaus grösser als der Landwirtschaft, die aktuell etwa 3 Millionen Hektaren nutzt. Dabei ist der illegale Bergbau noch nicht berücksichtigt. Zudem haben sich Bergbauunternehmen für Konzessionen auf mindesten 59 Prozent des Territoriums von Kolumbien beworben. Werden alle diese Bergbautitel vergeben, bleiben der Bevölkerung noch gerade 40 Prozent des Landes für andere Nutzungen. Dabei machen die Anträge für Bergbaulizenzen nicht halt vor Nationalparks, Schutzwäldern und Indigenenreservaten. Der Ausverkauf Kolumbiens an den Bergbau kennt keine Grenzen.
http://www.elcampesino.co/la-mineria-uno-de-los-ejes-del-conflicto-ambiental-en-colombia/
Wie viel Armee braucht Kolumbien?
Obwohl die Armee Kolumbiens heute etwa 40‘000 Soldaten weniger zählt als vor fünf Jahren, ist der Bestand immer noch nahe des zwischen 2008 und 2014 erreichten Höchststandes. Auch heute noch stehen alleine den Landstreitkräften über 200‘000 Mann zur Verfügung, Luftwaffe und Hochseeflotte sind deutlich kleiner. Nach der Demobilisierung der grössten ehemaligen Guerilla stellt sich nun die Frage, welche Armee Kolumbien braucht, um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern.
Denn obwohl die Gewalt in vielen Gebieten Kolumbiens zurückgegangen ist, leidet die Zivilbevölkerung in vielen Regionen weiterhin unter dem bewaffneten Konflikt zwischen ELN, dissidenten FARC-Einheiten, paramilitärischen und sonstigen illegalen bewaffneten Organisationen. Der Armee gelingt es insbesondere in ländlichen Gegenden trotz dem Abzug der FARC nicht, die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren und andere bewaffnete Organisationen zurück zu drängen.
Eine Abschaffung der Armee ist angesichts der verbreiteten Gewalt heute sicherlich keine Lösung. Ein Ausbau der Streitkräfte ist jedoch auch nicht notwendig. Die Armee benötigt eine neue Strategie: weg von der Bekämpfung des inneren Feinds, hin zum Schutz der Bevölkerung vor den Übergriffen bewaffneter Organisationen. Damit würde sich auch ihre Akzeptanz in historisch vernachlässigten Regionen verbessern.
IV. Tipps und Hinweise
Aufruf von Amnesty International für die Wayuu in Kolumbien
Auf Grund von Drohungen ruft die deutsche Sektion von Amnesty International zu einer Urgent Action für die Indigenen der Wayuu in Kolumbien auf. Flugblätter der paramilitärischen Organisation Águilas Negras richten Drohungen gegen VertreterInnen der drei Organisationen Wayúu Nación, Wayúu Araurayu und Observatorio Fuerza de Mujeres Wayúu.
Brunch & ColombJass: Brunch und Soli-Jass- und Tichuturnier für Kolumbien
Die Jubiläumsveranstaltungen der ask! sind vorbei, aber unser jährliches Jassturnier steht vor der Tür. Dieses Jahr kann statt gejasst auch Tichu gespielt werden.
Sonntag, 18. November 2017, Brunch ab 10.00 Uhr, Turnier 12.30-17.30 Uhr;
aki Bern, Alpeneggstrasse 5, 3012 Bern (Länggasse)
Preis: 50 CHF für Brunch und Turnier (25 CHF nur Brunch; 30 CHF nur Spielturnier)
Ertrag zugunsten der Friedens- und Menschenrechtsarbeit der ask! Tolle Preise zu gewinnen!
Anmeldung: region.bern@askonline.ch, für Brunch bis 15. November, für Turnier empfohlen
Weitere Informationen: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/
V. Lesenswerte Artikel
– Die Interamerikanische Menschenrechtskommission untersucht Menschenrechtsverletzungen durch Fracking: https://co.boell.org/es/2018/09/28/cidh-analizara-violaciones-los-derechos-humanos-provocadas-por-el-fracking-en-colombia-y
– Privatpersonen haben mindestens 386‘000 Hektaren staatliches Land illegal in Besitz genommen: https://colombia2020.elespectador.com/pais/las-maniobras-que-habrian-usado-particulares-para-apoderarse-de-baldios
– Paraökonomie, gestern und heute: https://data.colombiareports.com/para-economics/
– Humanitäre Zonen bringen Frieden in von Gewalt beherrschte Nachbarschaften: https://www.theguardian.com/global-development/2018/oct/01/it-was-horrible-before-locals-safe-haven-deadly-colombian-city-buenaventura?CMP=share_btn_tw
– ARTE Reportage: den Frieden finden: https://www.arte.tv/de/videos/084960-000-A/kolumbien-den-frieden-finden/
– Schwieriger Umgang mit der Vergangenheit: Medellín verbietet den Tourismus mit Bezug zu Pablo Escobar: https://www.razonpublica.com/index.php/conflicto-drogas-y-paz-temas-30/11467-turismo-negro-en-medell%C3%ADn-plata-o-plomo-memoria-o-reparaci%C3%B3n.html
Redaktion: Fabian Dreher
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