Mit einem Bericht über die beginnende Umsetzung des Friedensabkommens und einem über Schiedsverfahren, die Kolumbiens Suche nach Frieden behindern könnten, verabschieden wir uns für dieses Jahr.
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Wir wünschen einen guten Start ins 2017 und senden solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I.Artikel
Die Umsetzung des Friedensabkommens hat begonnen
Am 1. Dezember hat in Kolumbien die Zeit nach den Friedensverhandlungen begonnen. Der Vertrag ist an diesem Tag in Kraft getreten. Nun geht es an die Umsetzung. An erster Stelle steht dabei momentan die Demobilisierung und Reintegration der ehemaligen Aufständischen. Das Gelingen dieser Aufgabe wird den Erfolg des Friedensvertrages massgebend beeinflussen.
(Von Regula Fahrländer)
II. Monatsbericht
Wie Investor-Staat-Schiedsverfahren Kolumbiens Suche nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit unterminieren könnten
Im zu Ende gehenden Jahr wurde Kolumbien erstmals mit Investoren-Klagen vor dem Weltbank Schiedsgericht ICSID konfrontiert, dafür gleich mehrfach. Die Klagen richten sich gegen staatliche Massnahmen, die das Gesundheitssystem entlasten, die Umwelt schützen oder indigenen Gemeinschaften das Land restituieren sollen. Verschiedene (potentielle) Klagen gehen zurück auf umstrittene Gesetze, Korruption und behördliche Willkür oder Schlendrian. Die Klagemöglichkeiten für multinationale Konzerne drohen Kolumbiens Möglichkeiten, vergangenen Fehler zu korrigieren und Massnahmen für Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit zu ergreifen, massiv einzuschränken. Auch Schweizer Unternehmen sind involviert.
(Von Stephan Suhner)
III.Apropos
Gesetzesprojekt für kleinbäuerliche Rechte im Senat versenkt
Alberto Castilla, Senator und Vertreter der Kleinbauern und -bäuerinnen und des Congreso de los Pueblos, hatte im September 2016 ein Gesetzesprojekt eingereicht, mit dem die Rechte der Campesinos und Campesinas gestärkt werden sollten. Mit dem Projekt sollten die Campesino/as sichtbar gemacht und als Rechtssubjekte, die speziellen Schutz nötig haben, anerkannt werden, und zwar als kulturelle Ausdrucksform, nicht bloss unter dem Produktionsaspekt. Statt nur der Zugang zu Land soll das Recht auf Land im Individual- und Kollektivbesitz und das Recht auf Territorium verankert werden. Auch soll das bäuerliche Recht auf Saatgut anerkannt werden und die Rechte der Kleinbäuerinnen gestärkt werden, z.B. bezüglich des Zugangs zu Produktionsmitteln. Ebenso sollen mit dem Projekt Konsultationsmechanismen eingeführt werden, wenn kleinbäuerliche Territorien durch Projekte betroffen sind, ähnlich der vorgängigen Konsultation von ethnischen Minderheiten.
In der Senatssitzung vom 12. Dezember hat Senator Roberto Gerlein einen Ordnungsantrag gestellt, wonach das Gesetzesprojekt von Alberto Castilla von der Tagesordnung gestrichen werden soll. Der Senat stimmte diesem Antrag mit 28 zu 25 Stimmen zu. Dass dieses Gesetzesprojekt zugunsten der Campesino/as in einem Moment versenkt wurde, wo das Land über Frieden spricht und die Frage von Recht auf Land und Territorium besonders virulent ist, stellt für den weiteren Friedensprozess kein gutes Zeichen dar. Senator Gerlein sitzt seit 1978 im Senat und ist einer der konservativen Kaziken der Atlantikküste, bekannt für Korruptionsaffären und Postenschacher.
http://albertocastilla.org/el-abc-del-proyecto-que-busca-hacer-visible-al-campesinado-colombiano/
Tamaquito schliesst Verhandlungen mit Cerrejón erfolgreich ab
Am 16. Dezember 2016 fand in Tamaquito eine feierliche Zeremonie statt, mit der der Abschluss langwieriger Nachverhandlungen über die Umsiedlung von 2013 abgeschlossen und die Lessons learned des Prozesses aufgearbeitet wurden. Seit 2014 fanden teils schwierige Verhandlungen statt, weil vieles aus dem Umsiedlungsabkommen von 2013 nicht funktionierte oder von Cerrejón nicht eingehalten oder umgesetzt wurde, so besonders eklatant die mangelnde Trinkwasserversorgung. Nun konnten sich Tamaquito und Cerrejón auf 5 Themen einigen: 1) kollektives Einkommen generierendes Projekt; 2) familiäre produktive Projekte; 3) Wasserzufuhr aus dem Rancheria Fluss für Bewässerung; 4) Arbeitsplätze (empleabilidad), sowie 5) historische Aufarbeitung der Erfahrungen. Cerrejón unterstützt dieses Abkommen mit 1 Milliarde COP. Zudem werden Ausbildung für Gemeinschaftsmitglieder, auch Universitätsabschlüsse, bis 2023 unterstützt und erhalten Betagte der Gemeinschaft für max. 7 Jahre oder bis zu ihrem Tod monatlich einen Mindestlohn ausbezahlt. Ebenso wird Cerrejón die Gemeinschaft weiterhin bei der Bildung des Resguardos begleiten.
In einem im Dezember ergangenen zweitinstanzlichen Urteil hat der Staatsrat (Consejo de Estado) ein Urteil des Verwaltungsgerichts der Guajira bestätigt, wonach Cerrejón die Arbeiten zur Umleitung des Flusses Arroyo Bruno suspendieren muss. Dieses Urteil betrifft 27 Gemeinschaften, die nun innerhalb eines Monats durch Cerrejón, das Innenministerium und ANLA konsultiert werden müssen. Mit dem Urteil werden Grundrechte der indigenen Gemeinschaften wie das Recht auf Gesundheit, Zugang zu Trinkwasser und Respekt für das Territorium geschützt.
Die Gewalt gegen soziale Führungspersonen macht auch vor der Guajira nicht halt: am 13. Dezember wurde Jakeline Romero Epiayu per Textnachricht mit dem Tod bedroht. Zum Zeitpunkt der Drohung nahm Jakeline an einem Multistakeholder-Dialog in Cartagena über das Recht auf vorgängige Konsultation teil. Die Familie Romero Epiayu wurde schon in der Vergangenheit mehrfach Opfer von schweren Todesdrohungen, so 2012 Jakelines Schwester Jazmin und 2014 ihre minderjährige Tochter. Jakeline ist Führungsperson der Fuerza Mujeres Wayuu und stammt aus dem Wayuu-Resguardo El Zahino in der Gemeinde Barrancas.
http://genteculturapueblo.blogspot.ch/2016/12/con-firma-de-acuerdo-cerrejon-cierra.html
http://www.contagioradio.com/consejo-de-estado-frena-desvio-arroyo-bruno-articulo-33838/
http://notiwayuu.blogspot.ch/2016/12/amenazan-lidereza-wayuu-jakeline-romero.html
Ermordung von Obdachlosen in Bogotá
99 ermordete Obdachlose wurden von der Gerichtsmedizin in Bogotá 2016 (bis zum 30. November) registriert. Das bedeutet, jeden dritten Tag wird eine obdachlose Person umgebracht, so Alirio Uribe Muñoz vom Polo Democrático Alternativo. Er hatte zusammen mit zwei weiteren PolitikerInnen eine öffentliche Anhörung einberufen, um konkret auf die Situation der 3500 Obdachlosen, die vor einem halben Jahr aus dem Stadtviertel „Bronx“ vertrieben, aufmerksam zu machen. Sie leben seither besonders gefährlich, mindestens 15 von ihnen wurden umgebracht.
Morde an Obdachlosen fallen in Kolumbien unter das Phänomen namens „Limpieza Social“, soziale Säuberung. Gemäss dem Centro de Memoria Histórica findet diese Praktik in fast allen Departementen des Landes statt, und bleibt bisher immer strafffrei. Dafür verantwortlich gemacht wird in den meisten Fällen Nachfolgegruppen der Paramilitärs, in Bogotá etwa der Bloque Central. Aus der Verantwortung zieht sich aber auch der Staat, es mangelt an einer ganzheitlichen Strategie und Massnahmen, die weitverbreitete Obdachlosigkeit anzugehen. Auch Bogotás Bürgermeister Enrique Peñalosa hat dieses Problem bisher ungenügend adressiert. Zudem trägt das Verhalten der Behörden weiter zur Stigmatisierung der Obdachlosen bei. Schätzungen zufolge leben in Bogotá mindestens 9‘000 Menschen auf der Strasse.
IV. Tipps und Hinweise
Filmvorführung Alias Maria in Bern
Maria, eine 13-jährige Guerilla-Kämpferin, wird beauftragt, das neugeborene Kind des Kommandanten in Sicherheit zu bringen. Dabei kommt ihr Geheimnis ans Licht: Maria erwartet selber ein Kind. Um der obligatorischen Abtreibung, wie sie in der Guerilla oft stattfindet, zu entkommen, flieht sie. Und gerät dabei zwischen die Fronten des kolumbianischen Bürgerkrieges.
Montag, 23. Januar 2017, 18.30 Uhr
Donnerstag, 26. Januar 2017, 20.30 Uhr
Kinoeintritt 17.- /Solipreis 25.-. Film auf Spanisch, Englische Untertitel. Kino Cinématte Bern, Wasserwerkgasse 7, https://www.cinematte.ch/component/ohanah/aliasmaria?Itemid=0
Redaktion: Regula Fahrländer
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