Liebe Leserinnen und Leser
Kurz nachdem wir in der Schweiz unsere Kampagne zu Glencore’s Geschäftspraktiken in Kolumbien abgeschlossen haben, wurde das Unternehmen in Kolumbien zu Schadenszahlungen verurteilt. Erfreulich ist auch die Nachricht aus Kolumbien über die Einstellung der Glyphosat- Besprühungen der Kokaplantagen aus der Luft, weniger erfreulich das Ende der unilateralen Waffenruhe.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel
Rechnungsprüfungshof verurteilt Glencore wegen nicht bezahlter Royalties
In einem historischen Gerichtsurteil wurde Glencore für schuldig befunden, einen Schaden zu Lasten des Vermögens des kolumbianischen Staates von $ 60.023.000 Pesos mitverursacht zu haben. Dieses Urteil basiert auf Fakten und Beweisen, welche wir auch in unserem Schattenbericht zur Nachhaltigkeit von Glencore in Kolumbien untersucht hatten.
Kolumbien stellt die Besprühungen mit dem Herbizid Glyphosat ein
Das Herbizid Glyphosat wurde als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Deshalb hat die Regierung Kolumbiens das Ende der Besprühungen mit Glyphosat auf die Koka-Plantagen bekannt gegeben. Ob damit ein Strategiewechsel im Kampf gegen die Drogen beginnt, muss sich erst zeigen.
(Von Regula Fahrländer)
II. Monatsbericht: Schattenbericht bringt Glencore in Kolumbien unter Zugzwang
Am 20. April 2015 lancierte die Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien ask! zusammen mit ihrer kolumbianischen Partnerorganisation Pensamiento y Acción Social PAS ihren Schattenbericht zu Glencores Nachhaltigkeit in Kolumbien. Den Auftakt machte eine Podiumsdiskussion im Berner Käfigturm mit Diana Fonseca aus Hatillo, den beiden AutorInnen von PAS, Gloria Holguin und Rafael Figueroa sowie Michael Fahrbach, Nachhaltigkeitsmanager von Glencore.
III. Apropos
Erneute Gewaltspirale zwischen Militär und FARC
In der Nacht vom 22. Mai bombardierten die kolumbianischen Streitkräfte ein Lager der FARC bei Guapi im Cauca, was 27 Tote zur Folge hatte. Die kolumbianische Regierung hatte die Luftangriffe wieder aufgenommen, nachdem am 15. April 11 Soldaten bei einer Auseinandersetzung mit den FARC umgekommen waren. Infolge der Luftangriffe suspendierten die FARC jetzt die einseitige Waffenruhe, in der sie sich seit fünf Monaten und auf undefinierte Zeit befanden. Der militärische Druck auf ihre Struktur sei zu gross geworden, heisst es in ihrer Mitteilung. Seither sind innerhalb einer Woche insgesamt 42 Aufständische getötet worden, alle durch Luftangriffe. Darunter befindet sich auch ein Delegierter der FARC der am Verhandlungstisch gesessen hatte. Präsident Santos wie auch die FARC bekräftigen beide, die toten Aufständischen wie auch Soldaten seien beides Söhne von KolumbianerInnen und das Blutvergiessen müsse ein Ende finden. Aber konkrete Taten bleiben aus.
Am meisten betroffen sind, einmal mehr, die ZivilistInnen. Der Luftangriff in Guapi, auf den andere militärische Auseinandersetzungen folgten, hat 500 Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Mit dieser neuen Wendung ist ein historisches Tief an Kriegstoten fürs erste vorbei. Auch das einzigartige Abkommen zur Beseitigung der Personenminen liegt auf Eis. Immerhin hat bis anhin weder die Regierung noch die FARC damit gedroht, den Verhandlungstisch zu verlassen.
http://www.semana.com/nacion/articulo/farc-santos-se-ufano-de-la-muerte-de-guerrilleros/429090-3
Folter ist in Kolumbien noch immer systematisch
Am 30. April wurde Kolumbien zum fünften Mal vom UN-Ausschuss gegen Folter in Genf examiniert. Untersucht wurde die Situation bezüglich Folter zwischen 2009 und 2014. Dabei hat auch die kolumbianische Koalition gegen Folter (CCCT) ihren alternativen Bericht vorgestellt. Darin werden die Formen der Folter in Kolumbien systematisch aufgezeigt. Diese enthalten beispielsweise Folter als Instrument der politischen Verfolgung, als Form der Unterdrückung von Gefängnisinsassen und als Mittel der Repression des sozialen Protestes. Konkret geht es dabei besonders um die Fälle von Verschwindenlassen und extralegalen Hinrichtungen. Speziell erwähnt wird zudem, dass in Kolumbien Menschen mit Behinderungen noch immer Zwangsterilisationen unterzogen werden. Auch die Zunahme von willkürlichen Rekrutierungen von Jugendlichen seitens des Militärs und die systematische Überbelegung der Gefängnisse sind ein Thema, ferner die 295 Säureattacken innerhalb dreier Jahre. In Zusammenhang mit Folter, so der Bericht, sei es wichtig, die Stereotypen zu überwinden, dass Folter hauptsächlich aus physischer Gewalt in Gefängnissen bestehe. In Kolumbien sind gerade die tiefgreifenden psychosozialen Folgen aller Opfer nicht zu ignorieren.
Das UN-Komitee seinerseits hatte bei der Anhörung auch heftige Bedenken bezüglich der Folter formuliert. Doch die Regierung Santos wich nicht vom Standpunkt ab, dass im „neuen Kolumbien“ Folter nicht mehr vorkäme. Am 15. Mai wurden schliesslich die abschliessenden Beobachtungen des UN-Ausschusses veröffentlicht. Darin werden die Bedenken des alternativen Berichtes der Zivilgesellschaft bestätigt. Ferner wird bedauert, dass der kolumbianische Staat keine genaueren Zahlen zu Vorkommnissen, Untersuchungen und Verurteilungen geliefert hat.
http://www.omct.org/es/monitoring-protection-mechanisms/statements/colombia/2015/04/d23115/
http://www.apt.ch/content/files/region/americas/CAT%20Colombia%20comunicado.pdf
Grosse Verluste für die kolumbianische Bauernschaft aufgrund des Freihandelsabkommens mit den USA
Nach zwei Jahren Freihandelsabkommen mit den USA hat Oxfam zwei Studien in Auftrag gegeben, die Bilanz geziehen. Diese kommen zu einem verheerenden Schluss für die kolumbianische Landwirtschaft: Das Defizit des Agrarhandels ist um mehr als 300%, von 323 Millionen US-Dollar im 2012 auf 1,22 Milliarden US-Dollar im 2014, gestiegen (ohne Blumen, Kaffee und Bananen mit einzubeziehen). Am meisten von den Importen aus den USA betroffen sind Weizen, Molke, Reis, Milchpulver und Geflügel. Besonders der importierte Reis aus den USA hat signifikant zugenommen, von ungeschältem Reis gar um 100%.
In den Studien wurden auch qualitative Analysen über die Bedingungen der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen vorgenommen. Dafür wurden Studien aus dem 2009 herbeigezogen, die hochrechneten, dass 70% der Bauernschaft negativ betroffen sein werden. Diese Zahlen können nun bestätigt werden. Nach einer Analyse der verfügbaren Daten für die ersten beiden Jahre nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens und Untersuchungen von 10 verschiedenen Produzenten wird aufgezeigt, dass sich die ländliche Produktion in Kolumbien in Gefahr befindet. So sagt dann auch einer der befragten Bauern im Bericht, dass es für ihn wohl mit oder ohne Abkommen keinen Frieden geben werde. Denn es sähe ganz so aus, als müsse er sein Grundstück verlassen, um Arbeit in der Stadt zu suchen.
Klima der Gewalt gegen JournalistInnen im Departement Valle del Cauca
Die Organisation Reporter ohne Grenzen äussert in einem ausführlichen Bericht ihre Besorgnisse über das Klima der Gewalt gegen JournalistInnen in der kolumbianischen Provinz Valle del Cauca. Medienschaffende seinen dort Drohungen und Anschlägen von Guerilla und Paramilitärs ausgesetzt. 2015 wurden bereits zwei Medienschaffende ermordet, beide hatten zuvor über Korruption berichtet. Seit 1980 wurden 28 Journalisten im Valle del Cauca getötet, davon allein zwölf in der Provinzhauptstadt Cali. Das bislang letzte Opfer war der Journalist Edgar Quintero vom Radiosender Radio Luna, der am 2. März in Palmira ermordet wurde.
Viele der befragten JournalistInnen berichten, dass sie sich aus Angst vor Drohungen und Mordanschlägen selbst zensieren. Zu den vielen Tabuthemen im Valle del Cauca gehören Korruption in der Verwaltung, die Geschäfte der Drogenkartelle und die Aktivitäten paramilitärischer Gruppen. Dazu kommt das Problem der willkürlichen Verteilung der Werbebudgets staatlicher Stellen, die für viele Medien eine wichtige Einnahmequelle sind. Diese werden je nach Gefallen am Thema vergeben.
Seit dem Jahr 2000 wurden landesweit mindestens 58 Medienschaffende wegen ihrer journalistischen Arbeit ermordet. Gerade paramilitärische Gruppen wie Los Urabeños oder Aguilas Negras haben Journalisten wiederholt zu „militärischen Zielen“ erklärt.
Gedenktag für die Würde der Opfer sexualisierter Kriegsgewalt
In Kolumbien fand ein neuer Gedenktag Einzug. Am 25. Mai wurde zum ersten Mal den Frauen gedacht, die in Kolumbien Opfer von sexualisierter Kriegsgewalt wurden. Wie viele Kolumbianerinnen in den letzten Jahrzehnten von diesem Kriegsverbrechen betroffen sind, ist ungeklärt. Schätzungen gehen von mindestens einer halben Million alleine in den letzten 10 Jahren aus. Das nationale Institut für Gesundheit hat bisher alleine in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres 5243 Fälle registriert. Das bedeutet 38 Fälle täglich.
Ein nationaler Gedenktag für die betroffenen Frauen mag zwar einzig symbolischer Art sein, ist aber dennoch sehr wichtig. Erstens wird damit bestätigt, dass die Frauen Unrecht erfahren haben. Zweitens trägt ein nationaler Gedenktag erheblich zum öffentlichen Bewusstsein bei, dass es sich dabei in Kolumbien um eine systematische Kriegsstrategie handelt die flächendeckend und häufig vorkommt. Drittens, fügt die Defensoría an, wirkt ein Gedenktag im besten Falle präventiv. Und viertens könnte der Gedenktag dazu führen, dass die extrem hohe Straflosigkeit dieser Verbrechen angegangen wird. Dies ist ein wichtiger nächster Schritt, nachdem in den letzten Jahren diverse Gesetze betreffend Frauenrechten und sexualisierte (Kriegs-)Gewalt verabschiedet wurden. Gerade die Zahlen aus dem aktuellen Jahr belegen klar, dass sexualisierte Gewalt für viele Kolumbianerinnen trotz guter Gesetze noch immer Alltag ist.
IV. Tipps und Hinweise
Filmrezession: La buena vida – Das gute Leben
«La buena vida – Das gute Leben» erzählt die Geschichte der kolumbianischen Dorfgemeinschaft Tamaquito vor dem Hintergrund des weltweiten Strebens nach Wachstum und Wohlstand. Der Protagonist, Jairo Fuentes, der junge Anführer der Dorfgemeinschaft ist entschlossen, die gewaltsame Vertreibung seiner Gemeinschaft, wie andere Dörfer sie in der Vergangenheit erlebt haben, zu verhindern. Es beginnen Verhandlungen mit den Betreibern der Kohlemine, hinter denen die mächtigen Rohstoffkonzerne Glencore, Anglo Amercian und BHP Billiton stehen.
Ein Dokumentarfilm von Jens Schanze. In Deutschland im Kino angelaufen, in der Schweiz im Herbst/Winter 2015. Trailer und mehr Infos unter: https://vimeo.com/118427382
Interessante Lektüre: Stopp dem Bergbau
Die Menschenrechtsorganisation Tierra Digna hat in einem historischen Urteil erreicht, dass das Obergericht von Kolumbien die Bergbauprojekte vorübergehend suspendiert hat.
https://amerika21.de/2015/05/122663/sieg-gegen-bergbaupolitik
Redaktion: Regula Fahrländer
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