(autor: amnesty international)
datum: 17.08.2016
Miguel Briceño, Sprecher der kleinbäuerlichen Gemeinde El Porvenir im Zentrum Kolumbiens, ist erneut bedroht worden. Die Versuche, die Bewohner_innen aus der Gemeinde zu vertreiben, haben zugenommen.
Am 16. August erhielt Miguel Briceño, Sprecher der Kleinbauerngemeinde El Porvenir in Puerto Gaían im Departamento Meta, einen Drohanruf von einem Mann, der angab, der Kommandeur der paramilitärischen Gruppe „Los Urabeños“ zu sein. Der Anrufer sagte: „Wenn ich dich gefesselt habe oder einen deiner Verwandten in die Hände bekomme, werden blutige Tränen fließen. (…)“. Miguel Briceño ist bereits mehrfach bedroht worden. Er hat den Anruf bei den Behörden gemeldet, bisher wurde ihm als Schutzmaßnahme jedoch lediglich ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt.
Die kleinbäuerliche Gemeinschaft El Porvenir nutzt das Land schon seit einem halben Jahrhundert als Weidefläche für Rinder. In den neunziger Jahren wurde eine staatliche Institution damit beauftragt, staatseigenes Land an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu vergeben, die selbst kein Land besitzen. Das Land wurde jedoch unter illegalen Umständen Víctor Carranza zugesprochen. Víctor Carranza war bis zu seinem Tod im Jahr 2013 einer der mächtigsten Smaragdhändler in Kolumbien. Er wurde schon vor langer Zeit verdächtigt, enge Beziehungen zu paramilitärischen Gruppen zu pflegen. Nachdem Menschenrechtsorganisationen aus Kolumbien Anträge eingereicht hatten, hob das kolumbianische Institut für ländliche Entwicklung (Instituto Colombiano de la Reforma Agraria – INCODER) im Juli 2014 die illegal vergebenen Landtitel mithilfe einer Resolution wieder auf. Im April 2015 gab Präsident Juan Manuel Santos an, dass die Erb_innen von Víctor Carranza das Land an den Staat zurückgegeben hätten. Die Gemeindemitglieder haben jedoch noch immer keine rechtsgültigen Besitztitel erhalten und werden weiter bedroht.
Sprecher_innen der kleinbäuerlichen Gemeinde in Matarraton und der indigenen Gemeinschaft der Cubeo-Sikuani, die sich ebenfalls in dem Gebiet um El Porvenir niedergelassen hat, sind in den vergangenen Monaten ebenfalls mehrfach in dem Versuch bedroht worden, sie aus der Gegend zu vertreiben.
BITTE SCHREIBEN SIE
E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
Ich fürchte um die Sicherheit von Miguel Briceño, anderen Bewohner_innen der kleinbäuerlichen Gemeinschaften in El Porvenir und Matarraton sowie der Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Cubeo-Sikuani und fordere Sie deshalb auf, in Absprache mit den Betroffenen sofort wirksame Maßnahmen zu deren Schutz zu ergreifen.
Bitte leiten Sie eine umfassende und unparteiische Untersuchung zu den Drohungen gegen Miguel Briceño ein, veröffentlichen Sie die Ergebnisse dieser Untersuchung und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
Ergreifen Sie bitte unverzüglich Maßnahmen zur Auflösung paramilitärischer Gruppierungen und kappen Sie deren Verbindungen zu den Sicherheitskräften.
Ergreifen Sie bitte unverzüglich Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Gemeinschaft in El Porvenir rechtsgültige Besitztitel für das Land erhält.
APPELLE AN
PRÄSIDENT
Juan Manuel Santos
Presidente de la República
Casa de Nariño
Calle 7. No 6-54.
Bogotá
KOLUMBIEN
(Anrede: Excmo. Sr. Presidente Santos / Dear President Santos / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 57) 1 596 0631
MINISTER FÜR LANDWIRTSCHAFT UND LÄNDLICHE ENTWICKLUNG
Aurelio Iragorri Valencia
Ministerio de Agricultura y Desarrollo Rural
Avenida Jiménez No 7-1765
Piso 3
Bogotá
KOLUMBIEN
(Anrede: Estimado Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
E-Mail: despachoministro@minagricultura.gov.co
KOPIEN AN
NICHTREGIERUNGSORGANISATION
Corporación Claretiana Norman Pérez Bello
Carrera 15 No 14-41
Bogotá
KOLUMBIEN
E-Mail: corpoclaretiananpb@gmail.com
BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
S. E. Herrn Juan Mayr Maldonado
Taubenstr. 23
10117 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Indigene, afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften und Menschenrechtsverteidiger_innen sind nach wie vor diejenigen, die am stärksten unter dem anhaltenden bewaffneten Konflikt im Land zu leiden haben. Alle Konfliktparteien – zum einen die kolumbianischen Streitkräfte, die entweder allein oder im Einvernehmen mit den Paramilitärs agieren, zum anderen die verschiedenen Guerillagruppen – begehen Menschenrechtsverletzungen und -verstöße. Hierzu zählen Tötungen sowie Verschwindenlassen und Verschleppung, Folter, Vertreibung und Sexualstraftaten. Im Verlauf des Konflikts wurden ungefähr acht Millionen Hektar Land aufgegeben oder illegal vereinnahmt.
Die kleinbäuerliche Gemeinschaft von El Porvenir versucht, mit Hilfe des Gesetzes 160 von 1994 ihr Land über INCODER zurückzugewinnen. INCODER entscheidet über staatlichen Grundbesitz auf Grundlage der Gesetze 1448 und 160. INCODER muss sicherstellen, dass die Menschen aus El Porvenir und andere Personen für staatlichen Grundbesitz Landtitel erwerben können. Weitere Informationen zu dem Fall El Porvenir finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Powerless: the fight for land in Porvenir unter https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2015/02/powerless-the-fight-….
Angehörige der Gemeinschaft in El Porvenir, der nahegelegenen kleinbäuerlichen Gemeinde Matarraton und der indigenen Gemeinschaft Cubeo-Sikuani, die sich ebenfalls in dem Gebiet um El Porvenir niedergelassen hat, werden im Zusammengang mit den Landstreitigkeiten immer wieder mit dem Tod bedroht. Am 21. Juni 2016 erhielt der Vorsitzende des Gemeinderats von Matarraton einen Anruf auf seinem Handy. Der Anrufer, der sich als Mitglied der paramilitärischen Gruppe „Los Urabeños“ ausgab, sagte ihm, dass er auf einer 350 Namen umfassenden Todesliste stehe, die auch die Namen von 15 Personen aus Matarraton enthalte. Sollten die Personen auf der Liste ihre Gemeinden nicht verlassen, würde man sie töten. Am 15. Juni 2016 erhielt auch ein Sprecher der indigenen Gemeinschaft der Cubeo-Sikuani einen Drohanruf. Dabei bot der Anrufer ihm an, alle Häuser der Gemeinschaft zu kaufen, und erklärte, dass er an einem Treffen teilnehmen müsse, um das Geschäft zu besprechen. Sollte er nicht zu dem Treffen kommen, würde er die gesamte Gemeinschaft in Gefahr bringen.
Vertreter_innen vertriebener Gemeinden und Menschen, die sich für die Rückgabe vereinnahmter Grundstücke einsetzen, werden immer wieder bedroht oder getötet, vor allem seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Landrückgabe und Entschädigung von Opfern (Gesetz 1448), das im Juni 2011 erlassen wurde und Anfang 2012 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz sieht Entschädigungszahlungen für viele Überlebende von Menschenrechtsverletzungen vor, worunter auch Verstöße fallen, die in staatlichem Auftrag handelnde Akteure begangen haben. Zum anderen sollen einige der Vertriebenen ihr Land zurückerhalten. Viele Betroffene des Konflikts werden jedoch von Entschädigungsforderungen ausgenommen, und weite Teile des gestohlenen Landes werden möglicherweise nicht an die rechtmäßigen Eigentümer_innen zurückgegeben. Weitere Informationen zu dem Landrückgabeverfahren und den damit einhergehenden Problemen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht A land title is not enough: Ensuring sustainable land restitution in Colombia unter http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR23/031/2014/en.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
Expressing concern for the safety of Miguel Briceño, other members of the peasant farmer communities of El Porvenir and Matarraton, and the Indigenous Cubeo-Sikuani community, which may lead to their forced displacement, and urging the authorities to provide effective protection for them in accordance with their wishes.
Calling on the authorities to order a full and impartial investigation into threats against Miguel Briceño, publish the results and bring those responsible to justice.
Urging them to take immediate action to dismantle paramilitary groups and break the links between them and the security forces.
Urging them to take urgent action to ensure that the community of El Porvenir secures legal ownership over their lands.
Beteiligen Sie sich direkt online über die Homepage von amnesty international oder verwenden Sie den dort angegebenen Briefvorschlag:
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-082-2015-2/erneute-drohungen#hintergrundinformationen