Anlässlich eines Gesprächs mit Außenminister Heiko Maas am 12. September 2018 mit dem Forum Menschenrechte hat die Deutsche Menschenrechtskoordination Kolumbien ein Aide Memoire erstellt, in dem die aktuelle Menschenrechtslage in Kolumbien erläutert wird sowie Empfehlungen an die Bundesregierung ausgesprochen werden. Das Aide Memoire wurde dem Auswärtigen Amt gemeinsam mit weiteren Aide Memoires zu verschiedenen Ländern und Themen überreicht. Adressaten sind u.a. die Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler sowie die für Menschenrechte zuständigen Ministeriumsvertreter*innen.
Beschreibung der Menschenrechtsproblematik:
Die Menschenrechte in Kolumbien werden weiterhin massiv und systematisch verletzt.
Menschenrechtsverletzungen treten u.a. im Umfeld des Rohstoffabbaus – v.a. Kohle, Gold, Öl – oder von Infrastrukturprojekten wie Wasserkraftwerken auf. Die Rechte indigener und afrokolumbianischer Bevölkerung auf vorherige Konsultation werden dabei vielfach missachtet. Deutsche Energieversorger sind bedeutende Abnehmer für kolumbianische Steinkohle. Die KfW-IPEX hat zur Finanzierung des Staudammprojekts Hidroituango beigetragen, in dessen Kontext Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Die unkontrollierte und vorzeitige Flutung hat die Exhumierung vieler nicht geborgener Leichen von gewaltsam Verschwundenen unmöglich gemacht.
Der Vernachlässigung weiter Bevölkerungsteile z.B. bei Bildung oder Gesundheitsversorgung sollen einige Artikel des Friedensvertrags Abhilfe leisten. Deren Umsetzung steht noch aus.
Umsetzung des Friedensprozesses
Im November 2016 unterzeichneten die Regierung Santos und die FARC-Guerilla einen Friedensvertrag. Seit März 2016 verhandelt die Regierung auch mit der Guerillagruppe ELN. In diesem Kontext hat die Gewalt insgesamt einen historischen Tiefstand erreicht. Gleichzeitig haben jedoch Drohungen gegen und Morde an Menschenrechtsverteidiger*innen (MRV), insbesondere an Gemeindesprecher*innen im ländlichen Raum, massiv zugenommen.
Der Friedensvertrag mit der FARC sieht ein Integrales System für Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung und Garantien der Nicht-Wiederholung (SIVJRNR) vor. Dies umfasst eine Wahrheitskommission, eine Sondergerichtsbarkeit für den Frieden sowie eine Sucheinheit für Verschwundene. Die Umsetzung des Friedensabkommens ist mangelhaft. Der seit August 2018 amtierende Präsident Iván Duque ist als scharfer Kritiker des Friedensprozesses bekannt, es bedarf daher besonderer internationaler Aufmerksamkeit für die weitere Umsetzung.
Laut der kolumbianischen NRO Somos Defensores wurden von Januar 2017 bis März 2018 in Kolumbien 152 MRV ermordet. 46 davon wurden für das erste Quartal 2018 verzeichnet. Das VN Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) hat eine ähnlich hohe Zahl registriert. Insgesamt sind laut Somos Defensores in 53% der Fälle von Übergriffen gegen Aktivist*innen neo-paramilitärische Gruppen verantwortlich.
Gegen Militär- und Polizeiangehörige wird wegen der Tötung von 14 Personen im Kontext sozialer Proteste ermittelt, so das OHCHR in seinem Jahresbericht zu Kolumbien. Anführer*innen sozialer Proteste sind auch von Drohungen sowie immer wieder von Kriminalisierung betroffen.
Hoffnungen, dass sich die Handlungsspielräume zivilgesellschaftlicher Arbeit mit dem Friedensprozess erweitern würden, haben sich in vielen Bereichen ins Gegenteil verkehrt.
Weiterlesen: gesamtes Dokument als pdf zum download:
180829_Aide-Memoire-Kolumbien_final
Zur Pressemitteilung des Forum Menschenrechte zum Gespräch mit dem Minister:
https://www.forum-menschenrechte.de/zu-gespraech-mit-aussenminister-heiko-maas-forum-menschenrechte-fordert-staerkung-einer-menschenrechtsbasierten-weltordnung/