Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien ist ausgezählt. Im zweiten Wahlgang werden am 17. Juni 2018 die beiden Iván Duque Márquez vom Centro Democrático und Gustavo Francisco Petro Urrego der Bewegung Colombia Humana aufeinander treffen. Unabhängig davon setzt sich die kolumbianische Zivilgesellschaft und ihre sozialen Organisationen weiterhin für ein friedliches Zusammenleben in Kolumbien ein. Als Menschenrechtsorganisation unterstützen wir von der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask! die kolumbianische Zivilgesellschaft bei ihren Bestrebungen. Teils direkt vor Ort, teils gemeinsam mit kolumbianischen Organisationen und teils im Verbund mit anderen Menschenrechtsorganisationen aus der Schweiz und Europa.
Dieser Einsatz ist auch notwendig, damit der Friedensprozess in Kolumbien vorwärts kommt. Denn weder Kongress noch Regierung Kolumbiens zeigen sich zur Zeit gewillt, den Friedensvertrag mit den FARC umzusetzen oder einfach eine Politik für alle BewohnerInnen Kolumbiens zu machen. Wozu dies führt, zeigen einerseits die grossen Probleme und Menschenrechtsverletzungen rund um das Prestigeprojekt Hidroituango, wo es im Mai 2018 beinahe zu einer Katastrophe kam und tausende Menschen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die mangelnde und schleppende Umsetzung des Friedensabkommens andererseits führt dazu, dass immer mehr ehemalige KämpferInnen sich von der Demobilisierung verabschieden und dissidenten bewaffneten Gruppierungen anschliessen. Welche Probleme dadurch entstehen, können Sie in unserem Monatsbericht nachlesen.
I. Artikel
Schwere Menschenrechtsverletzungen und Umweltprobleme beim Wasserkraftprojekt Hidroituango
Innert einer Woche sind zwei Mitglieder der sozialen Bewegung Río Vivos in der Gemeinde Puerto Valdivia in Antioquia ermordet worden. Am 2. Mai 2018 wurde Hugo Albeiro George Pérez ermordet, zusammen mit seinem Neffen Domar Egidio Zapata George. Dieser Mord geschah am selben Tag, an dem eine friedliche Demonstration von Río Vivos durchgeführt wurde, um auf die Risiken wegen der Überschwemmung und Erdrutsche aufmerksam zu machen. Durch starke Regefälle wurde ein Entlastungsstollen verstopft, der den Fluss Cauca umleitet, wodurch das Wasser gestaut und unzählige Familien in Mitleidenschaft gezogen wurden. Hugo George hat sich öffentlich gegen den Bau von Hidroituango gewehrt. 2013 hat er begonnen, Entschädigungszahlungen für die Kleinbauernfamilien einzufordern, nachdem diese durch den Bau einer Strasse vom Staudamm ins Dorf Puerto Valdivia ihre Grundstücke und Lebensgrundlage verloren hatten.
(Von Stephan Suhner)
Ciénaga de la Zapatosa erhält Ramsar Schutzstatus
Rettung für bedrohten Flachsee, der unter Verschmutzung, Sedimentierung und Übernutzung leidet
Die Ciénaga de la Zapatosa wurde im April 2018 zum Ramsar Schutzgebiet erklärt. 123‘624 Hektaren werden so im Departement Cesar geschützt. Insgesamt umfassen die Ramsar Schutzgebiete Kolumbiens 1‘169‘849 Hektaren. Die Cienaga de la Zapatosa umfasst die Gemeinden Chimichagua, Curumaní, Tamalameque im Cesar und El Banco im Departement Magdalena. Es handelt sich um das zehnte Ramsar Schutzgebiet Kolumbiens. Umweltminister Murillo betonte, die Regierung Santos nehme den Schutz strategischer Ökosysteme ernst. Das Ziel für 2018 sei es, zwölf Ramsar Schutzgebiete ausgewiesen und damit zwei Millionen Hektaren Feuchtgebiete geschützt zu haben.
(Von Stephan Suhner)
Die Bedeutung von OIDHACO in einer vernetzten Welt
OIDHACO (Oficina International de los Derechos Humanos Acción Colombia) wurde als Netzwerk 1993 auf Initiative von HEKS Schweiz ins Leben gerufen um europaweit die Kräfte der Organisationen und Kirchen zu bündeln, die zu den Menschenrechten in Kolumbien arbeiten. 2009 wurde das Netzwerk in eine NGO überführt, der sich weitere Organisationen und Plattformen anschlossen.
Miguel Choza Fernández arbeitet seit 2016 als Koordinator bei OIDHACO in Brüssel. Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask!) vertritt bei OIDHACO die Kolumbien Plattform Schweiz und konnte sich anlässlich der letzten Versammlung von OIDHACO vom 18. und 19. April 2018 mit Miguel unterhalten.
(Von Fabian Dreher)
Das Interview auf Youtube anhören: https://youtu.be/z7G2lgJRGUY
Video vom 20. Geburtstag von OIDHACO (Februar 2017)
II. Monatsbericht: Widerstandskämpfer oder geldgierige Drogenhändler?
Dissidente FARC-KämpferInnen: Verbreitung, Ursachen und Auswirkungen
Bereits während den Friedensverhandlungen haben zivilgesellschaftliche Organisationen und NGO auf das Risiko hingewiesen, dass nicht alle damaligen Mitglieder der FARC die Waffen abgeben könnten. Spätestens mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags zeigte sich, dass das Abkommen auch in den Reihen der Guerilla nicht unumstritten war. Die Schätzungen gehen heute weit auseinander, es ist jedoch klar, dass ein bedeutender Teil der ehemaligen FARC-KämpferInnen sich dem Friedensprozess entzogen hat und weiterhin unter Waffen steht. Ihre Motive sind unterschiedlich und es gibt auch keine einheitliche Organisation mehr. Alle dissidenten FARC-Mitglieder als geldgierige Banditen zu bezeichnen greift jedoch zu kurz und hilft weder, das Phänomen zu verstehen, noch die einzelnen Fronten und Strukturen zu bekämpfen. Die NGO Fundación Ideas para la Paz (FiP) hat in einer Studie zwischen November 2016 und März 2018 auf Grund von Presseberichten, Interviews und Untersuchungen nachgezeichnet, wo und wie sich die dissidenten Gruppierungen entwickeln.
(Von Fabian Dreher)
II. Apropos
Kuba: Friedensverhandlungen mit dem ELN
Nach dem Entscheid von Ecuador, nicht mehr Gastgeber der Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und dem ELN sein zu wollen konnte Anfang Mai ein neuer Verhandlungsort gefunden werden: Kuba. Neben Kuba hatten sich auch Brasilien, Chile und Norwegen als Gastgeber angeboten. Das Ziel des mittlerweile fünften Verhandlungszyklus ist gemäss den Verhandlungspartnern ein neuer Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien.
Der ELN rief Mitte Mai einen einseitigen Waffenstillstand für den ersten Wahlgang der Präsidentschaftwahlen aus.
https://www.nodal.am/2018/05/inician-los-dialogos-de-paz-entre-el-gobierno-colombiano-y-el-eln-en-la-habana/
https://www.nodal.am/2018/05/paz-en-colombia-el-eln-declara-el-cese-unilateral-al-fuego-por-las-presidenciales/
Universelle Periodische Überprüfung der Menschenrechte in Kolumbien
Am 10. Mai 2018 fand im UNO-Menschenrechtsrat in Genf die Universelle Periodische Überprüfung der Menschenrechte in Kolumbien statt. Nachdem im Vorfeld zuerst das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und NGO ihre Berichte vorlegen konnten, formulieren an diesem Anlass die Mitgliedsstaaten Empfehlungen an Kolumbien, wie die Lage der Menschenrechte verbessert werden kann.
Kolumbien hat 2018 über 200 Empfehlungen von insgesamt 86 Ländern erhalten. Neben vielen Empfehlungen zur Umsetzung des Friedensabkommens bereiten vor allem die vielen Morde an MenschenrechtsverteidigerInnen und sozialen Führungspersonen den Mitgliedern des UNO-Menschenrechtsrats Sorge.
http://m.elcolombiano.com/colombia/asesinato-de-lideres-sociales-en-colombia-NG8679791
http://www.congresodelospueblos.org/noticia-movilizacion-en-ginebra/
Arbeitsbeginn der Wahrheitskommission
Anfang Mai hat im Rahmen des Friedensvertrags zwischen den FARC und der Regierung vereinbarte Wahrheitskommission ihre Arbeit aufgenommen. In den kommenden sechs Monaten muss die Kommission ihren institutionellen Rahmen sowie ihr Vorgehen festlegen. Danach wird sie während drei Jahren Anhörungen zu ausgewählten Gewaltereignissen und Themen des bewaffneten Konflikts durchführen.
Besonders wichtig ist die Arbeit der Wahrheitskommission für die Opfer des bewaffneten Konflikts, die oft auch Jahrzehnte nach den Ereignissen nicht die volle Wahrheit über die Hintergründe der an ihnen oder ihren Angehörigen vergangenen Verbrechen kennen. Ein weiteres wichtiges Ziel ist aus der Vergangenheit zu lernen, damit es in Zukunft zu keiner Wiederholung der Verbrechen kommt.
http://m.elcolombiano.com/colombia/buscan-hacer-de-la-verdad-garantia-de-no-repeticion-XA8673202
Schutz für Zeugen gegen Uribe gefordert
Nach dem Mord an einem Zeugen in einem Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe sowie Drohungen gegen weitere Zeugen bittet Human Rights Watch um Verbesserungen des Schutzes von weiteren Zeugen. Direkt angesprochen werden durch die Forderung die Staatsanwaltschaft von Kolumbien sowie die Nationale Schutzeinheit (UNP).
Gewerkschaftsmitglieder und Mitarbeiter von Nestlé Kolumbien ermordet
In Bugalagrande, Valle del Cauca wurden innerhalb des letzten Monats drei langjährige Mitarbeiter von Nestlé Kolumbien ermordet. Alle drei waren Mitglied der Gewerkschaft SINALTRAINAL. Seit Jahren kommt es im Umfeld der Fabrik von Nestlé immer wieder zu Todesdrohungen und Morden gegen Mitarbeiter und Gewerkschaftsmitglieder.
Die Firma weisst jede Verantwortung von sich und rief die Behörden dazu auf, für Sicherheit und Stabilität in der Region zu sorgen.
Fussballturnier für den Frieden in San José de Aparatadó
Obwohl weiterhin paramilitärische Gruppierungen die Sicherheit der Bewohner von Aparatadó gefährden, so hat doch die Gewaltintensität in der Region seit dem Friedensabkommen mit den FARC deutlich abgenommen.
Die Bewohner des Bezirks von San José de Apartadó haben dies mit einem Fussballturnier für den Frieden gefeiert. An dem Turnier nahmen insgesamt 12 Mannschaften aus den insgesamt 32 Weilern der Gemeinde teil. Der sportliche Erfolg war dabei nicht im Zentrum, wichtiger war die Gemeinschaft der Bevölkerung zu stärken und die Jugend zu unterstützen.
IV. Tipps und Hinweise
Filmvorführung: Sociedad del semaforo
Die Regionalgruppe Bern der ask! Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien lädt zur Vorführung des Films „La sociedad del semaforo“ ein
Am Montag, 4. Juni 2018, 19:00 Uhr; Cinematte, Wasserwerkgasse 7, 3011 Bern, https://www.cinematte.ch/; Kinoeintritt 17.-/ Solipreis 25.-
Der Film wird auf Spanisch mit englischen Untertiteln gezeigt
Weitere Informationen unter: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/
Veranstaltungsflyer (PDF): http://www.askonline.ch/fileadmin/user_upload/documents/Veranstaltungen/2018.05.14_flyer_la_sociedad_del_semaforo.pdf
Filmabend: La buena vida – das gute Leben
Filmabend zur Umsiedlung eines kolumbianischen Dorfs am Rand der grössten Kohlemine der Welt. Mit Einführung durch Stephan Suhner, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask!
Am Dienstag, 5. Juni 2018, 19:00 bis 21:00 Uhr
Im Haberhaus, Neustadt 51, Schaffhausen
Weitere Informationen: https://www.ref-sh.ch/veranstaltung/80304
Podiumsveranstaltung: Was hat der Drogenkrieg in Kolumbien mit der Schweiz zu tun?
Über den Zusammenhang von Kokaanbau und Drogenkrieg in Kolumbien mit der Drogenpolitik und dem Kokainkonsum in der Schweiz
Mit Luz Piedad Caicedo, Vizedirektorin der Menschenrechtsorganisation Corporación Humanas
Am Montag, 2. Juli 2018, ab 19:00 Uhr
Im Polit-Forum Bern (Käfigturm), Marktgasse 67, Bern
Weitere Informationen unter: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/
Datenschutz: DSGVO
Da der ask!-Newsletter auch von vielen Personen in der EU gelesen wird, kommen auch wir nicht um einen kleinen Hinweis zur EU-Datenschutzverordnung aus. Als Menschenrechtsorganisation begrüssen wir den verbesserten Datenschutz.
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V. Lesenswerte Artikel
– Das Recht, Abschied zu nehmen: https://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/vermisste-personen-in-kolumbien_das-recht–abschied-zu-nehmen/44071562
– Einmischung der USA in den Friedensprozess? http://elnuevosiglo.com.co/articulos/05-2018-eeuu-esta-interviniendo-en-el-proceso-de-paz-en-colombia
– Fehlende Raumplanung in Kolumbien als Ursache vieler Konflikte: https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/11084-ordenamiento-territorial-un-tema-ausente-pero-urgente-en-colombia.html
– 17‘000 Familien in Tumaco bereit zum Ersatz illegaler Kokapflanzungen: http://m.elcolombiano.com/colombia/paz-y-derechos-humanos/en-tumaco-avanza-la-sustitucion-de-cultivos-EC8675240
– Vom Guerillakrieg ins Parlament: Interview mit einer FARC-Politikerin: http://www.ipg-journal.de/regionen/lateinamerika/artikel/detail/vom-guerillakrieg-ins-parlament-2725/
– Kolumbien wird „globaler Partner“ der NATO: https://amerika21.de/2018/05/202241/kolumbien-globaler-partner-nato
Redaktion: Fabian Dreher
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