Liebe Leserinnen und Leser
Für die Friedensverhandlungen auf Kuba hat das Jahr erfreulich begonnen. Plötzlich geht es vorwärts. Vorwärts geht es auch bei der Aufdeckung eines Geldwäschereiskandals in Kolumbien, dessen Spuren in die Schweiz führen. Und beim Bau eines Wasserkraftwerks, welches bald ein Viertel des kolumbianischen Energiebedarfs abdecken soll und dafür über Leichen geht.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel
Definitive Waffenruhe rückt näher
Mit dem Jahreswechsel häufen sich die positiven Anzeichen für die Friedensverhandlungen. Plötzlich geht es vorwärts. Am 20. Dezember sind die FARC in eine einseitige und unbefristete Waffenruhe getreten. Kurz darauf hat Präsident Santos die Nachricht an den Friedensdialog geschickt, die Gespräche über einen bilateralen Waffenstillstand möglichst schnell voranzutreiben. An einer Fernsehansprache gibt er sich gar überzeugt, dass 2015 das Jahr der unterschriebenen Friedensabkommen sei.
(von Regula Fahrländer)
Goldexportfirma mit Schweizer Bezug im Zentrum eines Geldwäschereiskandals
Am Dienstag 20. Januar 2015 wurde der CEO des kolumbianischen Goldhandelsunternehmens GOLDEX, John Uber Hernández, von der Polizei in einem Linienbus in Montenegro, Quindío, zusammen mit seiner Ehefrau verhaftet. Hernandez und der Goldhandelsfirma C.I. Firma Goldex werden vorgeworfen, in einen Geldwäscheskandal von 970 Mio. USD verwickelt zu sein, in den auch Drogenhändler involviert sind.
(von Stephan Suhner)
II. Monatsbericht: Hidroituango – Kolumbiens grösstes Wasserkraftwerk am Cauca-Fluss. Entwicklung für die einen, zerstörte Lebensgrundlagen für die anderen
Am Cauca-Fluss, im Departement Antioquia wird aktuell eines der umstrittensten Entwicklungsprojekte Kolumbiens realisiert: das Wasserkraftwerk Hidroituango, mit einer 225 Meter hohen Mauer und einem über 70 Kilometer langen Stausee. Für die Regierung ist es der Schlüssel zur Entwicklung der Region und der ganze Stolz kolumbianischer Ingenieurskunst. Für viele Anwohner, die sich in der sozialen Bewegung Ríos Vivos organisieren, bedeutet es Zerstörung der Lebensgrundlage, kulturelle Entfremdung und schwere Menschenrechtsverletzungen. Die lokalen Gemeinschaften erhielten bisher kaum detaillierte Informationen und hatten praktisch kein Mitspracherecht. Zu Tausenden haben sie deshalb in den letzten Jahren gegen den Megadamm protestiert.
(von Stephan Suhner)
III. Apropos
Friedensverhandlungen mit der ELN in Ecuador
Am 7. Januar gab die ELN in einer öffentlichen Mitteilung ihre Bereitschaft für Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung bekannt. Darin wird erklärt, dass sie bereit sei, sich mit der Regierung an einen Tisch zu setzen um die Ernsthaftigkeit der staatlichen Absichten zu prüfen und gegebenenfalls die Waffen niederzulegen.
Die Verhandlungen sollen in Kürze in Ecuador losgehen, so die Gerüchte. Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa erklärte, sein Land sei bereit, solche Friedensgespräche zu beherbergen. Schon seit Monaten fänden in seinem Land Sondierungsgespräche zwischen der ELN und einer Regierungsdelegation statt. Das aus 260 Organisationen bestehende Netzwerk Coordinación Colombia – Europa – Estados CCEEU ruft die ELN sowie die Regierung dazu auf, sich expliziter zu den geplanten Friedensgesprächen zu bekennen und eine konkrete Agenda zu definieren.
Massive Morddrohungen zu Jahresbeginn
Am 11. sowie 21. Januar zirkulierten in Kolumbien Flugblätter mit Morddrohungen. In ersterem heisst es: «Verlasst das Land oder versteckt euch wie Ratten, denn wir werden euch erledigen, einen nach dem anderen». Adressiert ist das Schreiben an Menschenrechtsorganisationen, GewerkschafterInnen, LandrechtsaktivistInnen, Rechtsbeistände von Betroffenen und die VerfasserInnen von Menschenrechtsberichten. Am selben Tag wurde die Präsidentin von Asorvimm Lilia Peña bedroht. Die Ombudsstelle für Menschenrechte denunziert zehn Tage später erneut Morddrohungen, welche bei diversen sozialen und Menschenrechtsorganisationen im Departement Atlántico und der Karibikregion eingingen. Im Flugblatt, welches mit Autodefensas Gaitanistas de Atlántico y Magdalena, unterschrieben ist, werden 38 Menschen, 12 davon bereits mit staatlichen Schutzmassnahmen, bedroht und zum Militärziel erklärt.
Auch Piedad Cordoba hat bereits zu Jahresbeginn eine Morddrohung erhalten. Unbekannte sandten ihr einen Bestattungskranz nach Hause. Am 19. Januar wurde Carlos Pedraza, Sprecher des Congreso de los Pueblos ermordet. Er verliess sein Zuhause im Süden Bogotás, um im Viertel Teusaquillo an einer Sitzung teilzunehmen. Dort kam er nie an. Zwei Tage darauf wurde seine Leiche gefunden.
Menschenrechtsorganisationen und Betroffene weisen darauf hin, dass sich die Lage für Oppositionelle zu Jahresbeginn verschlimmert. Die Drohungen erfolgen in einer Zeit, in der komplexe Fälle von Landrückgabeverfahren bearbeitet werden, inklusive der Rückgabe von Grundstücken, die von multinationalen Unternehmen und Grossgrundbesitzern genutzt werden, die mutmasslich Verbindungen zu paramilitärischen Gruppierungen haben. Amnesty International hat für beide Drohungen zu Urgent Actions aufgerufen: http://ua.amnesty.ch/urgent-actions/2015/01/009-15/009-15-1
Traurige Zahlen des kolumbianischen Bürgerkrieges
Aus einem jüngst veröffentlichten Bericht der kolumbianischen Regierung geht hervor, dass 6,8 Millionen Menschen Opfer des internen bewaffneten Konflikts in Kolumbien geworden sind. 86 Prozent sind von Zwangsvertreibungen betroffen. Die restlichen 14 Prozent wurden Opfer von Morden, Entführungen, gewaltsamem Verschwindenlassen, Folter und sexualisierter Gewalt. Allein im Jahr 2012 wurden 206.504 Menschen aus ihren Häusern vertrieben, 2013 waren es 142.181, so der Bericht. Dabei handelt es sich um die ersten offiziellen Opferzahlen der Regierung in den letzten 30 Jahren. Erstellt und präsentiert wurde er von der Unidad de Atención y Reparación Integral a las Víctimas del Conflicto Armado. Paula Gaviria, die Direktorin dieser Einheit, unterstrich in mehreren Zeitungsinterviews die grossen Erfolge seitens der Regierung. So werden in den 110 landesweiten Empfangszentren jeden Tag 4‘000 Personen betreut, 49.000 Familien haben ein neues Zuhause gekriegt, 63.000 wurden bei der Rückkehr oder Umsiedlung begleitet und an 482.000 Opfer wurde eine Abfindung ausbezahlt. So die Präsentation von Staatsseite.
http://www.eltiempo.com/archivo/documento/CMS-15026796
Die UNO warnt davor, dass der Frieden zu Umweltschäden führen kann
Die Umsetzung der Friedensabkommen könne zu hohen Umweltschäden in grossen Teilen Kolumbiens führen, warnt die UNO. Mit einem detaillierten Bericht lädt sie die UnterhändlerInnen auf Kuba dazu ein, die Umwelt vermehrt zu bedenken. Bis anhin sei nicht genügend berücksichtigt worden, dass die Abkommen auch in Zonen von grosser Bedeutung für die Umwelt umgesetzt und dort unwiderrufliche Veränderungen hervorrufen werden. 50 % der Fläche in Kolumbien seien spezielle Ökosysteme von weltweiter Relevanz.
Gerade abgelegene Regionen wurden bis anhin von der FARC und der ELN kontrolliert und waren deshalb nicht oder nur schwer zugänglich. Dies hat die dortigen Ökosysteme geschützt. Sobald diese Regionen durch das Ende der Kampfhandlungen zugänglicher werden, wird der menschliche Einfluss die Ökosysteme verändern. Deshalb gibt die UNO vier Empfehlungen ab: Erstens müssen Opfer und Ex-Kämpfer Land erhalten und selber über dessen Verwendung bestimmen können, zweitens müssen lokale Formen der nachhaltigen Entwicklung gefunden werden, drittens muss die Rolle, die der Bergbau im Konflikt gespielt hat, ernsthaft analysiert werden und viertens, muss das Umweltministerium gestärkt und ausgebaut werden.
IV. Tipps und Hinweise
Erstes Campaign Bootcamp in der Schweiz
Vom 3. Bis zum 8. Mai findet in der Schweiz das erste Campaign Bootcamp statt. In einer intensiven 6-tägigen Weiterbildung erlernen 25 Teilnehmende das Kampagnenhandwerk von erfahrenen Profis. Das Bewerbungsverfahren ist nun eröffnet. Es umfasst zwei Stufen: eine schriftliche Bewerbung und ein Bewerbungsgespräch. Wenn du am Campaign Bootcamp teilnehmen möchtest, kannst du dich hier bis zum 22. Februar 2015 bewerben:
http://www.campaignbootcamp.ch/#bewerben
Dokumentarfilm: La Toma
Der Dokumentarfilm „La Toma“ ist neu und mit englischen Untertiteln online einsehbar. Mit unbearbeiteten Originalaufnahmen von damals werden die 27 Stunden im November 1985 der Übernahme und der Rückübernahme des Justizpalastes aufgearbeitet. Zudem zeigt der Film der lange Kampf für Gerechtigkeit und Wahrheit der Familien der damals Verschwundenen.
http://www.ictj.org/es/multimedia/video/la-toma
Dokumentarfilm: Das Haus der Erinnerung
Ein kurzer Dokumentarfilm in deutscher Sprache über das Haus der Erinnerung in Tumaco. Das Haus der Erinnerung bemüht sich darum, dass die Opfer der Gewalt in Tumaco nicht in Vergessenheit geraten.
Redaktion: Regula Fahrländer
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