Kolumbien-aktuell No. 524

Hoffungsvolle Zeichen vom Verhandlungstisch in La Habana wechseln sich ab mit ernüchternden Nachrichten aus Las Pavas und Berichten zur Situation der Frauen in Kolumbien. Wir wünschen ein spannende Lektüre ...

März 2013

Liebe LeserInnen

Hoffungsvolle Zeichen vom Verhandlungstisch in La Habana wechseln sich ab mit ernüchternden Nachrichten aus Las Pavas und Berichten zur Situation der Frauen in Kolumbien. Wir wünschen ein spannende Lektüre.

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I. Artikel

1.   Kleinbauern von Las Pavas werden durch Arbeiter der Palmölfirma bedroht

(von Ann-Seline Fankhauser)

Seit dem Urteil der kolumbianischen Landentwicklungsbehörde (Incoder) im November 2012, welches die Besitzrechtsverhältnisse in Las Pavas definitiv klärte und die umstrittenen Grundstücke der Kleinbauernvereinigung ASOCAB zugesprochen hat, werden die Kleinbauern durch Arbeiter der Palmölfirma Aportes San Isidro S.A.S. massiv bedrängt, beschimpft und bedroht.

http://www.askonline.ch/themen/natuerliche-ressourcen-und-agrarfrage/der-fall-las-pavas/kleinbauern-von-las-pavas-werden-durch-arbeiter-der-palmoelfirma-bedroht/

2.         Kolumbiens Menschenrechtssituation auf dem UNO – Prüfstand

(von Stephan Suhner)

Ein Gespräch mit Ana María Rodríguez von der Kolumbianischen Juristenkommission und Víctor Tobón von der Kleinbauernvereinigung von Nordantioquia.

http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/menschenrechtspolitik-zu-kolumbien/kolumbiens-menschenrechtssituation-auf-dem-uno-pruefstand/

3.         Zuversicht in La Habana: „Die Verhandlungen schreiten langsam aber stetig voran“ (von Ann-Seline Fankhauser)

Sowohl die Regierungs- wie auch die Guerilladelegation starteten am 11. März mit viel Optimismus in die siebte Verhandlungsrunde. Die Absicht, den ersten Punkt der Verhandlungsagenda mit konkreten Vereinbarungen abzuschließen konnte jedoch nicht erfüllt werden. Nichtsdestotrotz haben die UNO in Kolumbien und die Nationaluniversität in Bogotá den Auftrag gekriegt für Ende April das Forum zum zweiten Verhandlungspunkt, der politischen Partizipation, vorzubereiten.

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/friedensverhandlungen/zuversicht-in-la-habana/

II. Apropos

Frauen: unsichtbare Opfer systematischer Gewalt

Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März wurde in Kolumbien die Problematik der generalisierten Gewalt und Diskriminierung der Frauen thematisiert. Obwohl auf gesetzlicher Ebene Fortschritte gemacht wurden – so sieht das Gesetz 1257 aus dem Jahre 2008 Massnahmen in den Bereichen Prävention, Schutz und Betreuung vor – wurden diese Normen bis heute nicht umgesetzt. Diese Tatsache sowie die vorherrschende Straflosigkeit (90% aller Sexualdelikte bleiben straflos) führen zu einer weiteren Verschärfung der Gewalt an Frauen. Problematisch ist zudem, dass die Opfer aus Angst vor den Tätern oder aufgrund fehlender Rechts- und Schutzgarantien oftmals gar keine Anzeige erstatten.

Die alltäglich Gewalt, der Frauen ausgesetzt sind, wird durch den bewaffneten Konflikt noch reproduziert, verschärft und dadurch weiter normalisiert. So anerkannte das kolumbianische Verfassungsgericht 2008 an, dass die sexuelle Gewalt gegen Frauen eine normale, weitverbreitet, systematische und unsichtbare Praxis im Kontext des bewaffneten Konfliktes ist. Sexuelle Gewalt wird von allen Kriegsakteuren als Waffe im Krieg eingesetzt. Sexuelle Gewalt wird insbesondere auch als Strategie gegen Menschenrechtsaktivistinnen angewendet.

http://www.elmundo.es/america/2013/03/21/colombia/1363889510.html

Pressemitteilung und analytische Übersicht von OIDHACO: http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/berichte-ausgewaehlter-organisationen/frauen-unsichtbare-opfer-systematischer-gewalt/

Erstes Urteil zu Landrückgabe an Familienangehörige eines verschwundenen Mitglieds der Unión Patriótica

Das historische Urteil ordnet die Rückgabe von 70 Hektaren Land an die Frau und die drei Kinder eines verschwundenen Mitglieds der Unión Patriótica an. Anfang der 90er Jahre war der Landbesitzer von bewaffneten Gruppen zum Unterschreiben eines Kaufvertrages gezwungen worden, ein Jahr nach der Enteignung durch Dritte verschwand der politische Aktivist.

Da der Besitzerwechsel offensichtlich unter Zwang vollzogen wurde, wurde der „Kauf“ durch das Gericht als inexistent deklariert. Das Urteil ist insofern von Bedeutung, als dass es sich um das erste Urteil im Rahmen des Opfer- und Landrückgabegesetzes handelt, in dem Opfer des Genozids an der Unión Patriótica die Begünstigten sind.

In den letzten sechs Monaten kam es zu insgesamt 37 Urteilen in Landrückgabeprozessen, 11’000 Hektaren Land in sechs Departementen wurden an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben.

http://www.eltiempo.com/politica/fallo-de-restitucion-de-tierras-a-miembro-de-la-up_12711642-4

Streik der Kaffeebauern beendet

Anfang März lenkte die Regierung ein und erhöhte die Subventionen für die Kaffeebauern von 45’000 auf 145’000 Pesos pro 125 Kilogramm Kaffee. Zudem wurden Mindest- und Höchstverkaufspreise festgelegt. Mit der Erfüllung dieser Minimalforderungen der Kaffeebauern erreichte die Regierung die Beendigung des zwölftägigen landesweiten Streikes und die Aufhebung der Strassenblockaden, die das Wirtschaftsleben in einigen Departamenten beträchtlich gestört hatten. Doch dieser Etappensieg der Kaffeeproduzenten – welche den desolaten Zustand des durch den kolumbianischen Staat während Jahrzehnten vernachlässigten Kaffeesektors anprangerten – lässt nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um Notlösungen handelt. Die bis zum 31. Dezember 2013 befristeten Massnahmen werden die der Krise des Kaffeesektors zugrunde liegenden strukturellen Probleme wie sinkende Produktivität und Erträge, Preiszerfall, enorme Verschuldung der Bauern und zunehmende Kaffeeimporte nicht lösen.

http://www.elespectador.com/noticias/economia/articulo-409048-se-levanto-el-paro-cafetero

http://amerika21.de/analyse/81754/nach-dem-kaffee-streik

Hilferuf der Indigenen: 65 indigene Völker vom Aussterben bedroht

Der nationalen Indigenenorganisation Kolumbiens (ONIC) zu Folge sind 65 der 102 indigenen Völker Kolumbiens vom physischen und/oder kulturellen Aussterben bedroht. Der seit Jahrzehnten währende Konflikt, die staatliche Vernachlässigung, Diskriminierung sowie die zunehmende Ausbreitung des Bergbaus in den indigenen Territorien haben zu für die Gemeinschaften bedrohlichen Lebensbedingungen sowie zur Verletzung ihrer Rechte als ethnische Minderheiten geführt. Vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission forderte die Indigenenorganisation am 14. März als Vorsichtsmaßnahme ein sofortiges Verbot des Bergbaus durch Dritte sowie die Annullierung sämtlicher Bergbautitel und Konzessionen auf indigenen Territorien.

Heute sind in 27 indigenen Schutzgebieten 50% des Territoriums für den Bergbau tituliert, in 14 weiteren wurden gar für das gesamte Gebiet Bergbautitel vergeben. Der direkte Zusammenhang zwischen der Präsenz von Bergbaufirmen, bewaffneten Akteuren und der Verletzung grundlegender Rechte der indigenen Gemeinschaften sind offensichtlich. Obwohl der kolumbianische Verfassungsgerichtshof verschiedenen indigenen Völkern spezielle Schutzmaßnahmen zugesprochen hat, fühlen sich die Indigenen durch den Staat nur ungenügend geschützt. Zudem werden offiziell nur 35 indigene Gemeinschaften als vom Aussterben bedroht anerkannt.

http://www.elespectador.com/noticias/nacional/articulo-411328-65-pueblos-indigenas-corren-peligro-de-desaparecer-onic

Freiwilligkeit allein verhindert keine Menschenrechtsverletzungen

Der am 27. März publizierte Grundlagenbericht des Bundesrates zur Rohstoffbranche benennt zwar die Probleme, formuliert jedoch keine Lösungen. „Recht ohne Grenzen“ kritisiert, dass der Bundesrat weiterhin auf freiwillige Firmeninitiativen setzt und seine politische Verantwortung verkennt.

Zwar werde das hohe Risiko für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Bereich des Rohstoffabbaus durch Schweizer Firmen anerkannt, doch sieht er zur Bekämpfung dieses Risikos einzig Unternehmen und Gaststaat in der Pflicht.

Mitte März hatte der Nationalrat dem Bundesrat den Auftrag gegeben eine rechtsvergleichende Studie zur Einführung einer menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflicht für Unternehmen erstellen zu lassen. „Recht ohne Grenzen“ erwartet, dass dabei konkrete Vorschläge gemacht werden und dass es dabei anders als beim Rohstoffbericht nicht bei der Auslegeordnung bleiben wird.

http://www.rechtohnegrenzen.ch/de/medien-downloads/medien/

Vollständiger Bericht und Analyse der EVB: http://www.askonline.ch/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/unternehmensverantwortung-normen-und-instrumente/rohstoffbericht-bundesrat/

Außenminister Burkhalter auf Höflichkeitsbesuch in Kolumbien

In Kolumbien wird Bundesrat Didier Burkhalter Präsident Juan Manuel Santos einen Höflichkeitsbesuch abstatten und seine Amtskollegin Maria Angela Holguin Cuellar zu einem Arbeitsgespräch treffen. Ein Höhepunkt der Kolumbienreise ist der Besuch von Projekten zur Unterstützung der Opfer des seit über 50 Jahren währenden Bürgerkriegs, die von der Schweiz kofinanziert werden. Der Vorsteher des EDA wird die Siedlung Soacha besuchen, wo rund 35 000 Vertriebenenfamilien leben. In Bogotá wird er Führungskräfte mehrerer Schweizer Unternehmen treffen, die in Kolumbien tätig sind. Mit ihnen wird er die wirtschaftlichen Perspektiven Kolumbiens erörtern.

http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/dfa/head/hoeven/lat.html

III. Tipps und Hinweise

Speakers Tour zu Goldhandel mit Kolumbien 11. April bis 2. Mai 2013

Ein afrokolumbianischer Kleinbauer und eine Menschenrechtsanwältin berichten über die Folgen unkontrollierten Goldabbaus und über die Bedrohung des Lebensraumes der Schwarzengemeinschaften durch multinationale Minenkonzerne. Noch wird das Gold mehrheitlich durch kleine und mittlere illegale Minen abgebaut, inmitten des bewaffneten  Konflikts und unter dem Druck des organisierten Verbrechens, und mit einer erschreckenden Umweltbilanz. Rund ein Drittel der kolumbianischen Goldproduktion gelangt zur Verarbeitung in die Schweiz. Den Schweizer Akteuren im Goldgeschäft mangelt es aber bisher an Problembewusstsein. Es gibt keine Transparenz und sie gehen nicht mit der notwendigen Sorgfaltspflicht vor, um den Ankauf von Konfliktgold zu vermeiden.

Hintergrundinfos und Veranstaltungen: http://www.askonline.ch/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/bergbau-und-rohstoffkonzerne/gold/delegation-zu-gold-april-2013/

Daten:

11.4. | Zürich

12.4. | Bern

13.4. | Lausanne

16.4. | Neuchâtel

17.4. | Hausen am Albis

24.4. | Bern

25.4. | Genf

Redaktion: Ann-Seline Fankhauser

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