Kolumbien-aktuell NO. 522

Nach einem hoffnungsvollen Start der Friedensgespräche und einer zweimonatigen einseitigen Waffenruhe der Farc machen sich ernsthafte Spannungen zwischen den Verhandlungsparteien bemerkbar. Die Glaubwürdigkeit und die Verpflichtung der Farc gegenüber dem Frieden werden, nach der Entführung von zwei Polizeiangehörigen, durch die Regierung öffentlich in Frage gestellt.

Januar 2013

Liebe LeserInnen

Das neue Jahr begann mit massiven Drohungen, Vertreibungen und Morden an indigenen Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Aktivisten. Die erneute Konsolidierung paramilitärischer Gruppen kann nicht mehr geleugnet werden. Gleichzeitig erreichten uns einzelne erfreuliche Meldungen, die hoffen lassen, dass Veränderungen möglich sind, so zum Beispiel die Verurteilung von Blanco Maya wegen den Morden an Gewerkschaftern oder die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Ex-Präsident Uribe wegen Paramilitarismus. Auch das Bewusstsein für die Zerstörung der Umwelt durch den Bergbau scheint zuzunehmen. Der Nutzen des Bergbaus als Entwicklungslokomotive für die Bevölkerung bleibt jedoch mehr als fraglich, wie die Erfahrungen in der Gemeinde El Hatillo zeigen.

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I.   Artikel

1.  Aufrechterhaltung von Kampfhandlungen führt zu Spannungen in Friedensdialog (von Ann-Seline Fankhauser)

Nach einem hoffnungsvollen Start der Friedensgespräche und einer zweimonatigen einseitigen Waffenruhe der Farc machen sich ernsthafte Spannungen zwischen den Verhandlungsparteien bemerkbar. Die Glaubwürdigkeit und die Verpflichtung der Farc gegenüber dem Frieden werden, nach der Entführung von zwei Polizeiangehörigen, durch die Regierung öffentlich in Frage gestellt.

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/friedensverhandlungen/erste-spannungen-in-friedensdialog/

2.   Nahrungsmittelkrise inmitten der Bergbauregion im Cesar

von Dominique Rothen

Die Wachstumslokomotive Bergbau dient laut kolumbianischer Regierung dazu, die nationale Wirtschaft voranzutreiben, regionale Entwicklung zu bringen und Arbeitsplätze zu schaffen. Es sind auch die Argumente, mit welchen meist transnationale Unternehmen für ihr Vorhaben werben und sich so den Zugang zu noch nicht exploriertem Gelände sichern. Die Gemeinschaft El Hatillo im Departement Cesar, welche umgeben ist von Kohleminen, spürt von dieser positiven Entwicklung jedoch nicht viel: zur Zeit ist ihre Ernährungssicherheit nicht mehr gewährleistet und sie ist auf Nahrungshilfe angewiesen; eine Hilfe, die jedoch niemand gewährleisten will.

http://www.askonline.ch/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/bergbau-und-rohstoffkonzerne/glencore-in-kolumbien/hungerkrise-in-el-hatillo/

3.   Neue Studien der Contraloria zeigen massive Meeresverschmutzung

von Stephan Suhner

In der Nähe von Santa Marta befinden sich verschiedene Häfen, in denen Kohle von Glencore Prodeco, Drummond und CNR Goldman Sachs für den Export verschifft wird. Seit vielen Jahren beklagen sich Hoteliers, Touristen, Fischer und Anwohner über die Umweltauswirkungen der Kohlehäfen, über den negativen Einfluss für den Tourismus (schwarze Strände, Lärm der Eisenbahn) und für den Fischfang (vergiftete Fische, Ertragsrückgang, erschwerter Zugang zu Fischgründen).

http://www.askonline.ch/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/bergbau-und-rohstoffkonzerne/glencore-in-kolumbien/verschmutzung-hafen-santa-marta/

II.               Apropos

Verstärkte Aktivität durch paramilitärische Gruppen

Das Jahr begann mit dem Mord an Reinaldo Domicó der indigenen Gemeinschaft der Embera in Dabeiba (Antioquia) in der Neujahrsnacht. Wie die Nationale Indigenenorganisation Kolumbiens (ONIC) berichtete waren Reinaldo und weiter indigene Führungspersonen der Region durch paramiliätrische Gruppen bedroht worden. Ebenfalls aus Antioquia wurde Ende Januar das Eindringen von rund 50 Paramilitärs in Weiler der Friedensgemeinschaft San José de Apartado gemeldet. Drei Familien wurden vertrieben, von drei Bauern, die festgenommen wurden, fehlen jegliche Nachrichten.

In Puerto Asís (Putumayo) wurden bis Mitte Januar 18 Morde durch paramilitärische Strukturen registriert. Anfang Jahr zirkulierte ein von den „Urabeños“ unterzeichnetes Pamphlet, welches verbietet nach 18 Uhr zu zweit auf dem Motorrad unterwegs zu sein und die Ankündigung einer „sozialen Säuberung“ enthielt.

Nach Gefechten im Chocó zwischen den „Urabeños“ und den „Rastrojos“, die sich die territoriale Kontrolle im Drogenhandel streitig machen, verliessen dutzende afrokolumbianische Familien aus Pichima, Charamira y Bocas de Ladrilleros ihr Zuhause in Richtung Buenaventura. Fast die Hälfte der rund tausend Vertriebenen sind Kinder. Auch im Nachbarsdepartement Valle del Cauca kam es zu Vertreibungen von indigenen Gemeinschaften aus Calima und San Juan durch die Paramilitärs. Die Operationen im Valle del Cauca waren seit November durch die paramilitärischen Gruppen angekündigt worden. Die interamerikanische Menschenrechtskommission hatte die kolumbianische Regierung im November über die Risikosituation informiert doch es wurden keine Massnahmen ergriffen.

Reinaldo Domicó: http://www.telesurtv.net/articulos/2013/01/02/lider-de-grupo-indigena-colombiano-fue-asesinado-en-fiestas-de-ano-nuevo-4399.html

Puerto Asís: http://justiciaypazcolombia.com/En-2013-paramilitares-han

San José de Apartado: http://justiciaypazcolombia.com/Paramilitares-ingresaron-a-veredas

Chocó und Valle del Cauca: http://www.oidhaco.org/?art=1531&title=En%20Colombia%20el%20a%F1o%202013%20empieza%20con%20desplazamiento%20masivo&lang=es

Fall Drummond: langjährige Haftstrafe für Blanco Maya

Am 5. Februar 2013 wurde Jaime Blanco Maya von einem Sonderrichter für Fälle von Gewalt an Gewerkschafter (ILO-Richter) zu 38 Jahren Haft verurteilt. Blanco Mayas Unternehmen versorgte die Arbeiter bei Drummond mit dem Kantinenessen. Er wurde als intellektueller Täter der Ermordung der beiden Gewerkschafter Victor Orcasita und Valmore Locarno im Jahr 2001 verurteilt.

http://www.askonline.ch/home/

Staatsanwaltschaft ermittelt erneut gegen Ex-Präsident Uribe

In neuen Aussagen bezichtigen die inhaftierten Paramilitärs Pablo Hernán Sierra alias „Guerrero“  und Juan Guillermo Monsalve Ex-Präsident Álvaro Uribe, während der 90er Jahre als Gouverneur von Antioquia die Gründung des Bloque Metro de las Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) unterstützt zu haben. Monsalve ist ein Sohn des ehemaligen Verwalters der finca Guacharacas im Eigentum der Familie Uribe. Seinen Aussagen  zu Folge , sollen die paramilitärischen Einheiten das Landgut als Stützpunkt genutzt haben. Zudem soll Uribe das Massaker von San Roque direkt angeordnet haben. Aufgrund der veränderten Beweislage hat die Staatsanwaltschaft angeordnet, das im Jahr 2000 eingestellte Verfahren wieder aufzunehmen. „Zum ersten Mal wird durch die Ziviljustiz ein Untersuchungsverfahren gegen Uribe als Ex-Präsident aufgrund gravierender Verbrechen eröffnet“, begrüsste der linke Abgeordnete Iván Cepeda die Entscheidung der Staatsanwaltschaft die Untersuchung wieder aufzunehmen.

http://prensarural.org/spip/spip.php?article9984

http://amerika21.de/nachrichten/2013/01/75636/uribe-und-paramilitarismus

Ungewisse Zukunft verschiedener Kohleprojekte

Ende Jahr gab Cerrejón bekannt, das äusserst umstrittene Expansionsprojekt P500 mitsamt Flussumleitung wegen der tiefen Kohlepreise aufzuschieben. Nun steigt auch die brasilianische CCX aus einem Projekt in der Guajira aus, u.a. auch wegen den Kohlepreisen und dem Widerstand. Andere Expansionsprojekte müssen strengere Umweltauflagen oder höhere Förderlizenzen gewärtigen. Es ist zu hoffen, dass der kolumbianische Staat die angekündigten Verbesserungen bei den Vertragsverlängerungen tatsächlich durchzieht und sich nicht von den Klagen der Multis über sinkende Preise umstimmen lässt.

http://www.askonline.ch/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/bergbau-und-rohstoffkonzerne/el-cerrejon-und-xstrata/mpx-zieht-sich-zurueck/

Gründung Regionaler Naturschutzpark Páramo de Santurbán beschlossen

Mit dem Entscheid der regionalen Umweltbehörde einen Teil des Páramogebietes Santurbán als regionaler Naturschutzpark zu deklarieren haben Umweltschützer einen Etappensieg im Kampf um den Erhalt des hochsensiblen Ökosystems im Departement Santander davongetragen. Das Feuchtgebiet, welches die Wasserversorgung von rund 2,2 Millionen Menschen sichert, ist reich an Gold- und Silbervorkommen und weist eine lange Tradition des kleinen Goldabbaus auf. Das Tagebauprojekt Angostura der kanadischen Greystar (heute Eco Oro) löste 2011 den Widerstand der Bevölkerung aus und führte zu landesweiten Mobilisierungen für den Erhalt des Páramos, woraufhin die Firma das Tagbauprojekt durch ein Projekt für eine unterirdische Mine ersetzte. Das Verbot jeglicher Bergbauaktivität in Nationalpärken von 1977 wurde 2010 durch einen Verfassungsgerichtsentscheid auf die Regionalpärke ausgedehnt. Auf den 11’700 ha, welche der Regionalpark Páramo de Santurbán umfassen wird, werden somit jegliche Bergbauaktivitäten sowie landwirtschaftliche Aktivitäten verboten sein. Die Frage bleibt, was mit den schon vergebenen Bergbautiteln geschehen wird, welche rund 82% der territorialen Ausdehnung des Parks tangieren. Alleine Eco Oro ist im Besitz von Bergbautiteln, von denen 6’394 ha im zukünftigen Gebiet des Regionalparks liegen. Der Bergbauminister Federico Renjifo meinte diesbezüglich, dass alle Unternehmen, welche vor 2010 mit dem Abbau begannen nichts zu befürchten hätten. Doch der nationalen Umweltlizenzbehörde zufolge, wurde bislang für keinen Bergbautitel im Páramo de Santurbán die Umweltlizenz vergeben, die eigentliche Voraussetzung für die Aufnahme des Abbaus in einer Mine. Die vergebenen Titel würden somit widerrufen. Eco Oro hat den auch schon Schadenersatzklagen angekündigt.

http://www.eltiempo.com/opinion/columnistas/guillermomaya/santurban-a-merced-de-la-gran-mineria-guillermo-maya-columnista-el-tiempo_12554734-4

http://www.elespectador.com/noticias/cultura/vivir/articulo-397447-el-enredo-de-los-titulos-de-santurban 

Soziale Organisationen blockieren Erdölfirmen in Arauca

Seit dem 21. Januar blockieren erneut rund 1500 Personen Erdölfirmen an verschiedenen Orten im Departement Arauca und reaktivieren damit die friedliche Mobilisierung und ihre Forderungen an die multinationalen Erdölunternehmen und den kolumbianischen Staat. Die sozialen Organisationen fordern, dass die Unternehmen und der Staat sich den verheerenden menschlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen sowie der Umweltverschmutzung, welche die Erdölförderung verursacht, annehmen und ihren Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung von Arauca nachkommen. Zwischen dem 10. April und dem 8. Mai 2012 kam es erstmals zu friedlichen Mobilisierungen der Bevölkerung, worauf verschiedene Vereinbarungen zwischen den sozialen Organisationen und der Regierung und den Erdölfirmen unterzeichnet und Versprechen abgegeben wurden, unter anderem der Erlass eines präsidialen Dekretes. Da die Vereinbarungen und Versprechen in keiner Weise erfüllt wurden werden nun erneut die Zugänge zu den Erdölfeldern von OXY, Pacific Rubiales und Ecopetrol blockiert. Die Organisationen betonten, die Blockaden würden erst aufgehoben, wenn konkrete Abmachungen erfüllt seien und das Dekret erlassen sei. Sollte keine befriedigende Einigung gefunden werden, werde man einen Generalstreik ins Auge fassen.

http://www.colombiainforma.info/index.php?option=com_content&view=article&id=670:organizaciones-sociales-completan-7-dias-de-bloqueos-a-multinacionales-petroleras-en-arauca&catid=91:campesinos1&Itemid=514

III.    Tipps und Hinweise

Kolumbien: politische Konfrontation und mögliche Szenarien

Ein interessanter Artikel von Fernando Doradoüber die mächtigen Gegner des Friedens und ihre Interessen sowie den Kampf zwischen den städtischen global ausgerichteten Eliten und den traditionellen Eliten aus Grossgrundbesitzern und Viehzüchtern um die politische Macht in Kolumbien.

http://viva.org.co/cajavirtual/svc0336/articulo04.html

Tagung: Die sozialen Folgen der Industrialisierung der Landwirtschaft

Die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte sowie die Konzentrationsprozesse in der Vermarktung schreiten voran. Bekannt sind diese Entwicklungen aus Südspanien, den Vereinigten Staaten oder den grossen Agrarexportländern. Ihre Auswirkungen zeigen sich aber auch zunehmend in der Schweiz.

07. Feb | 10.00 – 16.30 | Bern

Flyer und Infos: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/

Begleiten und Schützen als MenschenrechtsbeobachterIn

Informationsnachmittag von Peace Watch Schweiz und Peace Brigades International

09. Feb. | 13.30 – 16.30 | Zürich
16. Feb. | 13.30 – 16.30 | Bern

Flyer und Infos: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/

Redaktion: Ann-Seline Fankhauser | Stephan Suhner

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