Drei Gesetzesinitiativen, die das Recht auf Wiedergutmachung stark in Frage stellen

COMISIÓN COLOMBIANA DE JURISTAS – Kolumbianische Juristenkommission (Bulletin Nr. 16: Serie über die Rechte der Opfer und die Anwendung des Gesetzes 975) Die Regierung hat zwei Gesetze vor dem Kongress der Republik eingebracht und ein weiteres unterstützt, die insgesamt dazu beitragen, dass die Aneignung von Land durch paramilitärische Gruppen legalisiert und dass staatliche Mittel zur […]

COMISIÓN COLOMBIANA DE JURISTAS – Kolumbianische Juristenkommission

(Bulletin Nr. 16: Serie über die Rechte der Opfer und die Anwendung des Gesetzes 975)

Die Regierung hat zwei Gesetze vor dem Kongress der Republik eingebracht und ein weiteres unterstützt, die insgesamt dazu beitragen, dass die Aneignung von Land durch paramilitärische Gruppen legalisiert und dass staatliche Mittel zur Förderung produktiver Projekte auf diesem Land eingesetzt werden. Diese Maßnahmen stellen das Recht auf Rückgabe in Frage, das bei der Entschädigung der Millionen Opfer von Menschenrechtsverletzungen, deren Land geraubt wurde, prioritär angewendet werden sollte. Damit werden die grundlegenden Prinzipien verletzt, auf denen das Gesetz 975 (Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden von 2005, Anm. d. Ü.).

Viele der Ländereien, die sich die Paramilitärs gewaltsam angeeignet haben, werden heute wirtschaftlich genutzt. Durch die Änderungen der Rechtsnormen im Rahmen der vorliegenden Gesetzentwürfe können die Usurpatoren ihre wirtschaftlichen Gewinne konsolidieren und ausweiten.

Beim ersten dieser Gesetze handelt es sich um das „Statut für ländliche Entwicklung“ (Estatuto de Desarrollo Rural), mit dem, unter anderem, Zuschüsse für den Kauf und die Nutzbarmachung von Land, sowie die Erarbeitung und Umsetzung hoch produktiver landwirtschaftlicher Projekte geregelt werden sollen. Mit diesem Kriterium für die Förderung werden Großprojekte bevorzugt, hinter denen große Firmen der Agroindustrie stehen.

Einige dieser Projekte könnten sich den systematischen Landraub durch die Paramilitärs zu Nutze gemacht haben, wie er von der Ombudsstelle Defensoría del Pueblo in der Resolution No. 39 vom 2. Juni 2005 festgestellt wird. Nach Angaben der Defensoría wurde auf geraubtem Land am unteren Atratolauf (Departement Chocó) von dem vorher ganze Gemeinden vertrieben wurden, afrikanische Ölpalme angepflanzt.

In der selben Resolution hat die Defensoría weiterhin festgestellt, dass die paramilitärischen Gruppen während der Besetzung dieses Landes behaupteten, dass „es nun ihr Gebiet sei und Pflanzungen von Ölpalme angelegt werden“. Dies wurde durch den Chef der Paramilitärs Vicente Castaño bestätigt, der wenige Tage später erklärte: „In Urabá haben wir Pflanzungen von Ölpalmen. Ich selber habe die Unternehmer gewonnen, die in diese langfristigen und produktiven Projekte investiert haben.“

Das „Statut zur ländlichen Entwicklung“ erlaubt weiterhin, dass in Fällen, in denen kein formeller Rechtstitel über eine Liegenschaft vorliegt, der Besitz durch jedweden anderen Beweis belegt werden kann, was die Legalisierung von illegal angeeignetem Land erlaubt (Art. 121, 2). Der Artikel 122 des Gesetzentwurfs sah die Einführung einer Frist von fünf Jahren für Liegenschaften vor, die sich unredlich (de mala fe) angeeignet wurden. Durch die starke Ablehnung dieses Artikels seitens der Kontrollorgane und sozialen Organisationen wurde er aus dem Gesetzentwurf herausgenommen.

Allerdings wird die Streichung des Art. 122 durch einen anderen Gesetzentwurf kompensiert, der unter dem Namen „Bereinigung der Titulierung von Immobilieneigentum“ (Saneamiento de Titulación de la Propiedad Inmueble) verhandelt wird. Durch dieses Projekt wird die Flexibilisierung der Mechanismen für die Titulierung von Land für jene Personen angestrebt, die über keinen Rechtstitel für ihre Liegenschaften verfügen. Zu diesem Zweck sah der Gesetzentwurf eine übertriebene Vereinfachung des Verfahrens vor, das den bezeugten Nachweis über den Vorgang der Aneignung der jeweiligen Liegenschaft ausschloss. Weiterhin wurden keine Ausnahmeregelungen für die Fälle getroffen, in denen die ursprünglichen Eigentümer Vertriebene sind, wodurch diesen ihr Recht auf Rückgabe der durch Gewaltanwendung verlorenen Güter genommen wird.

Der Gesetzentwurf zur Bereinigung (der Titutlierung des Immobilienbesitzes, d.Ü.) hat beträchtliche Veränderungen erfahren. Der am 13 März 2007 in zweiter Lesung vom Senat verabschiedete Text begrenzt die Bereinigung der Güter auf die Fälle, in denen das Eigentum nicht auf „Gewalt, Aneignung, gewaltsame Vertreibung, Betrug oder den Einsatz von Strohmännern (testaferrato) zurückgeht (Art.1)“. Weiterhin werden Güter ausgeschlossen, die sich in Regionen befinden „die Zonen mit hohem Risiko gewaltsamer Vertreibung sind“ (Art.7.2). Damit würde die Legalisierung der von Vertriebenen geraubten Landes verboten. Trotzdem hat die oberste Kontrollbehörde Procuradoría General de la Nación erklärt, dass die Möglichkeiten der Absicherung und des Schutzes des Eigentums der Vertriebenen begrenzt und unzureichend sind. (…) Somit besteht das Risiko der Legalisierung von den Vertriebenen geraubter Güter weiter.

Trotz der Einbeziehung der Maßnahmen zur Begrenzung der möglichen negativen Auswirkungen des ursprünglichen Gesetzesentwurfs muss auf die weiterhin bestehenden Risiken hingewiesen werden. So besteht die Möglichkeit, dass während des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zur ursprünglichen Version des Entwurfs zurückgekehrt wird (…).

Der dritte Gesetzesentwurf ist unter dem Titel „Sicheres Agrar-Einkommen“ (Agro Ingreso Seguro) bekannt. Er wurde vom Landwirtschaftsministerium eingebracht und bereits als Gesetz 1133 von 2007 verabschiedet. Wie der hier eingangs besprochene Gesetzentwurf soll auch dieses Gesetz zur Kommerzialisierung der Landwirtschaft beitragen, in dem Kredite für landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte gewährt werden, die vor allem auf agroindustrielle Landnutzung in großem Stil und mit Orientierung auf die internationalen Märkte setzen.

Das Programm des „Sicheren Agrar-Einkommens“ begünstigt einige Sektoren der landwirtschaftlichen Produktion, ohne dabei in Betracht zu ziehen, dass die Entwicklung des agroindustriellen Modells in einigen Fällen mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit – wie etwa Vertreibungen, Morde und Verschwindenlassen – in Zusammenhang steht. Damit wird wiederum das Recht der Opfer auf die Rückgabe der durch die paramilitärischen Gruppen geraubten Güter eingeschränkt. Das Programm sieht keinerlei Mechanismus vor, durch den geprüft würde, welche der Güter, auf denen die Projekte umgesetzt werden, sich von den Paramilitärs illegal angeeignet wurden.

Insgesamt tragen diese drei Gesetzesinitiativen dazu bei, dass die systematische Vertreibung der Kleinbauern von landwirtschaftliche nutzbarem Land konsolidiert wird und hierfür staatliche Finanzierungsinstrumente eingesetzt werden, die der Förderung der Landwirtschaft dienen sollen. Damit würde die Rückgabe von Ländereien an die Opfer von Vertreibungen verhindert. Darüber hinaus steht dies in engem Zusammenhang mit der Politik der Förderung der zentralen landwirtschaftlichen Produkte, wie sie der Nationale Entwicklungsplan 2002-2006 (Plan Nacional de Desarrollo 2002-2006) vorsieht (und wie sie im Nationalen Entwicklungsplan 2007-2010 bestätigt werden). Sowohl die Afrikanische Ölpalme, als auch Kakao und Kautschuk sind Produkte, die kapitalintensiv sind und erst nach langer Zeit Gewinne abwerfen.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat bereits in ihrem dritten Bericht zur Menschenrechtssituation in Kolumbien von 1999 auf den engen Zusammenhang zwischen gewaltsamer Vertreibungen und Landverlust hingewiesen. Auf der anderen Seite baut das Gesetz 975 auf das Prinzip des Rechts auf Wiedergutmachung der Opfer (Art.8). Im besonderen Fall der Opfer von Landvertreibungen muss dieses Prinzip – unter Berücksichtigung der internationalen Standards – die Rückgabe der geraubten Güter priorisieren.

Trotzdem sieht das Gesetz 975 nicht die Rückgabe der geraubten Güter als präferentiellen Mechanismus vor. Vielmehr ist ein allgemeiner Fond vorgesehen, in den die von den Paramilitärs zurückgegebenen Güter einfließen, ohne dass Mechanismen vorgesehen wären, durch welche die individuellen und kollektiven Rechte der Opfer auf Rückgabe gesichert würden. Die Priorität liegt eher auf der kollektiven und symbolischen Entschädigung der Opfer.

Das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen hat dem kolumbianischen Staat empfohlen, „die Probleme von Armut und Ungleichheit in den ländlichen Regionen effektiv zu lösen“. Hierfür wäre der Schutz des kleinbäuerlichen Landbesitzes und die Rückgabe des Landes der Opfer von Vertreibung, das von Paramilitärs geraubt und für agroindustrielle Großprojekte genutzt wird. Weiterhin bedarf es einer authentischen Agrarreform, auch als Element zur Überwindung des internen bewaffneten Konflikts. Gesetze, die zu einer weiteren Konzentration des Landbesitzes beitragen können, wie im Fall der drei hier diskutierten Entwürfe, stehen den Rechten der Opfer auf eine integrale Wiedergutmachung entgegen, Durch sie entfernt sich das Land weiter von der Möglichkeit auf Gerechtigkeit und Frieden.

Bogotá, 26. März 2007

Übersetzung: Misereor, Oft
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