Die internationale Mission über außergerichtliche Hinrichtungen, die Kolumbien im Oktober 2007 besucht hat um dieses Thema zu untersuchen, hat im Oktober 2008 ihren Endbericht vorgestellt:
Download unter http://www.kolko.de/downloads/0810_Informe_final_misionobservacion_ejecuciones.pdf (367 kB)
Zu Anschuldigungen gegen die Mission seitens des kolumbianischen Verteidigungsministers Juan Manuel Santos im September 2008 erklärte die Mission:
Erklärung der „Internationalen BeobachterInnenmission zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Straflosigkeit in Kolumbien“ anlässlich der Äußerungen des kolumbianischen Verteidigungsministers am 09. September 2008, dem kolumbianischen Tag der Menschenrechte
Mit Sorge haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Verteidigungsminister den Tag der Menschenrechte in Kolumbien dazu genutzt hat, ungerechtfertigte Kritik gegen Menschenrechtsgruppen zu lancieren, darunter gegen unsere Internationale Mission und die Koordination Kolumbien Europa USA. Wir denken, dass stattdessen die Gelegenheit hätte genutzt werden können, um die wertvollen Anstrengungen der kolumbianischen Zivilgesellschaft anzuerkennen, die zur Stärkung des Rechtsstaates beiträgt und seine Bereitschaft zur gemeinsamen Arbeit an diesem Ziel deutlich zu machen.
In seinem Redebeitrag behauptete Herr Minister Santos, dass unsere Mission sich nicht mit Mitgliedern seiner Regierung getroffen habe. In Wirklichkeit hatten wir jedoch Gesprächstermine mit Vertretern der staatlichen Institutionen sowohl auf Bundes-, regionaler als auch lokaler Ebene. Zu unseren Gesprächspartnern zählten der Vizeverteidigungsminister, Sergio Jaramillo Caro, die Direktorin der Militärgerichtsbarkeit, der Vizegeneralstaatsanwalt, der Ombudsmann, zwei Vertreter der Disziplinarstaatsanwaltschaft, der Präsident der Disziplinarabteilung des Obersten Justizrates und mehrere Verfassungsrichter. In den Regionen hatte die Mission Gespräche mit Vertretern der staatlichen Streitkräfte, mit Beamten der Staatsanwaltschaft, der Disziplinarstaatsanwaltschaft, der Ombudsstelle und mit regionalen und lokalen staatlichen Instanzen.
Am 10. Oktober 2007 wurde in Bogotá in Gegenwart von über 100 Journalisten, Vertretern der internationalen Gemeinschaft und der Öffentlichkeit ein Bericht der Internationalen BeobachterInnenmission zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Straflosigkeit von zwei TeilnehmerInnen stellvertretend für die gesamte Mission vorgestellt. In dem Bericht wurden einerseits detailliert die Umstände beschrieben, die die mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen begleiten. Andererseits wurden die Mechanismen der Straflosigkeit benannt, die sich auch über die Ermittlungsverfahren und die Gerichtsprozesse erstrecken. Die Mission sprach Empfehlungen an die Justizbehörden und an die Disziplinarstaatsanwaltschaft im forensisch-technischen und hinsichtlich der juristischen Vorgehensweisen aus, ebenso wurden Empfehlungen an das Verteidigungsministerium, die Streitkräfte und an die internationale Gemeinschaft gerichtet.
Das Problem der außergerichtlichen Hinrichtungen, das wir in unserer Mission untersucht haben, ist ausführlich in den jährlichen Berichten des Büros in Kolumbien der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, im jährlichen Menschenrechtsbericht (2007) des US-Außenministeriums; von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission sowie von verschiedenen anderen internationalen Institutionen dokumentiert worden. Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: Der Bericht des US-Außenministeriums vom 1. August 2008 „Memorandum zur menschenrechtlichen Konditionierung der Hilfe für die kolumbianischen Streitkräfte“ beinhaltet eine lange Liste von Fällen, in denen Gruppen von Soldaten mutmaßlich in außergerichtliche Hinrichtungen verwickelt sind. Die Informationen darüber stammen aus kolumbianischen Regierungsquellen.
Wir sind tief besorgt darüber, dass der Verteidigungsminister und Mitglieder der kolumbianischen Regierung die Koordination Kolumbien Europa USA und andere Menschenrechtsorganisationen weiterhin stigmatisieren. Diese Organisationen klagen die schweren Verstöße gegen das Recht auf Leben durch Akteure des bewaffneten Konflikts in Kolumbien an ebenso wie weitere Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch die Akteure des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien. Wir erinnern daran, dass der Verteidigungsminister 2003 die Direktive Nr. 09 herausgegeben hat, die die Präsidialdirektive 07 aus dem Jahr 1999 unterstützen soll. Diese ordnet allen öffentlichen Bediensteten an, davon abzusehen, die Legitimität von Menschenrechtsorganisationen und ihren Mitgliedern öffentlich in Frage zu stellen. Es beunruhigt uns, dass diese wichtige und notwendige Direktive ihr Gewicht gegenüber den Streitkräften verliert, wenn selbst der Verteidigungsminister sie nicht respektiert.
Die Worte von Herrn Santos sind uns unverständlich, weil selbst die kolumbianische Regierung anerkannt hat, dass ein ernsthaftes Problem der außergerichtlichen Hinrichtungen existiert. Aus diesem Grund hat das Verteidigungsministerium wesentliche, wenngleich nicht ausreichende Schritte unternommen und die Direktive Nr. 10 vom Juni 2007 und die Direktive Nr. 19 vom November 2007 erlassen. Im vergangenen Jahr haben die Generalstaatsanwaltschaft und die Disziplinarstaatsanwaltschaft einige Fortschritte bei der Bewältigung dieses sehr ernsten Problems gemacht, die jedoch noch nicht ausreichen: einige Soldaten wurden vom Dienst suspendiert, und Fälle wurden von Militärgerichten an die zivile Gerichtsbarkeit überführt. Dennoch gibt es bisher nur in sehr wenigen Fällen Verurteilungen, die Untersuchungen haben ungenügende Fortschritte gemacht, was die Identifizierung von Vorgesetzten anbelangt, die diese Straftaten angeordnet oder erlaubt haben. Es tauchen kontinuierlich neue Vorwürfe wegen außergerichtlichen Hinrichtungen auf. Wir bitten die kolumbianische Regierung, ihre Anstrengungen zu verstärken, damit diese Straftaten beendet werden. Die kolumbianischen Menschenrechtsgruppen sind Partner von unschätzbarem Wert bei dieser wichtigen Aufgabe.
Hintergrund:
Zwischen dem 4. Und 10. Oktober 2007 wurde die Internationale Beobachtungsmission zu außergerichtlichen Hinrichtungen und Straflosikgeit in Kolumbien auf Einladung der Koordination Kolumbien Europa USA durchgeführt. Die Koordination ist ein Zusammenschluss von 187 sozialen und Menschenrechtsorganisationen.
Die Mission bestand aus 13 BeobachterInnen, MenschenrechtsextertInnen aus Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien und den USA, die in vier Gruppen die Regionen César und Antioquia besucht haben. Außerdem haben sie in Bogotá Zeugenaussagen aus vielen Regionen des Landes entgegengenommen. Insgesamt haben wir die Aussagen von Familienangehörigen und Zeugen von 132 Fällen gehört, in denen Menschen zunächst durch die Streitkräfte verschleppt und später getötet wurden. Die Fälle ereigneten sich in unterschiedlichen Regionen des Landes, die fast das gesamte kolumbianische Staatsgebiet umfassen.
Der Bericht basiert auf den Zeugenaussagen und Dokumenten, die wir erhalten haben. Er zeigt auf, dass in Kolumbien das Recht auf Leben kontinuierlich durch außergerichtliche Hinrichtungen verletzt wird, welche durch Angehörige der Sicherheitskräfte verübt werden. Betroffen hiervon ist die Zivilbevölkerung. Die Opfer werden vor der Öffentlichkeit als im Gefecht getötete Guerillakämpfer oder Verbrecher dargestellt. Diese Verbrechen finden in fast allen Regionen Kolumbiens statt. Außerdem stellt der Bericht fest, dass die analysierten Fälle ein besorgniserregendes Gesamtbild weit verbreiteter Straflosigkeit vermitteln.
TeilnehmerInnen der Mission: Alexandra Huck (Deutschland), Enrique Santiago y Romero (Spanien), Françoise Escarpit (Frankreich), Ignacio Espinosa Casares (Spanien), José Martin y Pérez de Nanclares (Spanien), Juana María Balmaseda Ripero (Spanien), Karen Ramey Burns (USA), Lisa Haugaard (USA), Mauricio Valiente Ots (Spanien), Michael Ellman (Großbritannien), Rainer Huhle (Deutschland), Rebecca Cox (Großbritannien), Stefan Ofteringer (Deutschland).]