Die Kongresswahlen vom 11. März 2018 haben die grosse Polarisierung der Gesellschaft in Kolumbien schonungslos aufgezeigt. Den Wahlsieg können die rechten Parteien beanspruchen, die mit Desinformationskampagnen und persönlichen Angriffen Stimmung gegen den Friedensprozess und Andersdenkende machen. Auf der anderen Seite steht die Zivilgesellschaft, der es nur sehr beschränkt gelungen ist, eigene VertreterInnen zu portieren. Eine Analyse des Wahlresultats aus der Sicht der ask! finden sie hier, in unserem Monatsbericht nimmt zudem eine Vertreterin der Zivilgesellschaft Stellung zu den Resultaten. Um den Wahlsieg des Kandidaten der Rechten zu verhindern, wäre eine breite Koalition der BefürworterInnen des Friedensabkommens notwendig. Leider sind diese momentan zerstritten, eine Einigung ist nicht erkennbar.
Derweil ist die Lage der Menschenrechte und insbesondere der MenschenrechtsverteidigerInnen in Kolumbien weiterhin prekär. Die Organisationen der Zivilgesellschaft wie auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte kommen zum Schluss, dass die Menschenrechtsarbeit in Kolumbien lebensgefährlich ist. Und dass der kolumbianische Staat weiterhin zu wenig tut, um MenschenrechtsverteidigerInnen zu schützen. Es braucht also weiterhin Druck von innen wie von aussen, damit der Schutz verletzlicher Menschen und ihrer UnterstützerInnen sichergestellt werden kann.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel
Die aktuelle Lage der Menschenrechte in Kolumbien
Alle fünf Jahre beurteilt der UN-Menschenrechtsrat die Lage der Menschenrechte und deren Entwicklung in den Mitgliedsstaaten. Im April 2018 steht dabei Kolumbien im Rampenlicht. Der aktuelle Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte zeigt dabei deutlich das Versagen des kolumbianischen Staates, die Menschenrechte aller BürgerInnen zu garantieren. Auch die Zivilgesellschaft und die Schweiz formulieren Empfehlungen an Kolumbien. Die Schweizer Kolumbien Plattform legt dabei den Schwerpunkt auf den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen sowie die politische Partizipation der Bevölkerung.
(Von Fabian Dreher)
Lebensgefahr Menschenrechtsarbeit
2017 war ein schwarzes Jahr für MenschenrechtsverteidigerInnen in Kolumbien. Während die Gewalt generell in der Gesellschaft abnahm, wurden deutlich mehr MenschenrechtsverteidigerInnen bedroht und ermordet. Dem kolumbianischen Staat gelingt es weiterhin nicht, für ihre Sicherheit zu garantieren.
(Von Fabian Dreher)
II. Monatsbericht: Wahlen in Kolumbien
Herausforderungen für die Menschenrechte, die Umsetzung des Friedensabkommens und für territorialen Frieden
Vom 12. – 14. März 2018 hatten wir Maria Eugenia Ramírez von ILSA in Bogotá und Adriel Ruiz von Fundescodes aus Buenaventura in Bern zu Besuch. Die beiden sind im Rahmen der Frühjahrssession des UN-Menschenrechtsrates in die Schweiz gereist. Die ask! hat mit den beiden über die Wahlen und die Perspektiven für Frieden und Menschenrechte gesprochen. Ein besonderes Augenmerk richten wir auf die Vorgänge in Buenaventura, der wichtigsten Hafenstadt Kolumbiens, die exemplarisch die Widersprüchlichkeiten Kolumbiens aufzeigt.
(Von Stephan Suhner)
III.Apropos
Friedensverhandlungen ELN
Nachdem es im Vormonat zu verschiedenen Scharmützeln zwischen staatlichen Sicherheitskräften und dem ELN sowie mehreren Anschlägen des ELN gekommen war verkündete das ELN einen einseitigen Waffenstillstand für die Kongresswahlen vom 11. März. Nach neuerlichen Anschlägen und Gegenschlägen schien kaum mehr ein Interesse an weiteren Friedensverhandlungen zu bestehen. Der Ombudsmann für Menschenrechte beschuldigt das ELN, zwischen Juli 2017 und Februar 2018 mindestens 15 Kinder und Jugendliche rekrutiert zu haben.
Präsident Santos überraschte wohl die meisten Beobachter, als er am 12. März, direkt nach den Kongresswahlen verkündete, die Friedensverhandlungen mit dem ELN wieder aufzunehmen. Der mittlerweile fünfte Verhandlungszyklus zwischen Regierung und ELN in Quito soll voraussichtlich bis am 18. Mai, also kurz vor den Präsidentschaftwahlen andauern. Die Regierung möchte dabei auch den illegalen Bergbau ansprechen, der in den vom ELN kontrollierten Gebieten florieren soll. Am 23. März wurde bekannt, dass sich die beiden Verhandlungsparteien auf einen zeitlich beschränkten Waffenstillstand ab dem 2. April geeinigt haben. Derweil ist im Gebiet Catatumbo, im Departement Norte de Santander der Konflikt zwischen dem ELN und dem ELP wieder aufgeflammt. Es kam dabei zur gewaltsamen Vertreibung von mindestens 1350 KleinbäuerInnen.
http://www.elpolitico.com/colombia-asegura-que-nuevo-ataque-del-eln-impide-dialogo-de-paz/
http://m.elcolombiano.com/colombia/paz-y-derechos-humanos/santos-retomara-dialogos-con-eln-AF8351046
http://gerente.com/co/new-rss/en-catatumbo-sigue-conflicto-entre-eln-y-epl/
Schutz für UmweltaktivistInnen
2017 wurden in Kolumbien 32 UmweltschützerInnen ermordet. Damit liegt Kolumbien weltweit an dritter Stelle der gefährlichsten Länder für UmweltaktivistInnen, hinter Brasilien und den Philippinen.
Auf Grund zunehmender Auseinandersetzungen im Umweltbereich in Lateinamerika haben 25 Länder, darunter auch Kolumbien ein Abkommen geschlossen, welches der Bevölkerung den Zugang zu Informationen, Partizipation und Gerechtigkeit in Umweltfragen zusichert. Das Abkommen soll auch sicherstellen, dass UmweltschützerInnen in diesen Ländern ohne Drohnungen oder Gewalt ihrer Arbeit nachgehen können. Kolumbien, Mexiko und Jamaika versuchten dabei bei den Verhandlungen, die Verbindlichkeits des Abkommens abzuschwächen, wurden aber überstimmt.
Das Abkommen ist für die unterzeichnenden Länder verbindlich, muss aber von Kongress und Präsident noch ratifiziert werden.
Verfassungsgericht heisst Amnestiegesetz gut
Das Verfassungsgericht Kolumbiens heisst Anfangs Mäz 2018 das Amnestiegesetz für die demobilisierten KämpferInnen der ehemaligen Guerilla der FARC gut.
Das Gericht präzisierte dabei das Gesetz dahingehend, dass nur ehemalige KämpferInnen davon profitieren können, die bereit sind, umfassend über ihre Beteiligung an der bewaffneten Gewalt auszusagen und die Opfer im Rahmen der JEP (Jurisdicción Especial para la Paz) zu entschädigen.
Das Verfassungsgericht strich zudem den Satz wonach auch bei „systematisch begangenen, schweren Kriegsverbrechen“ (graves crímenes de guerra cometidos de manera sistemática) die Strafe erlassen werden kann. Damit stellt das Gericht klar, dass es keine Amnestie geben kann für Vergehen gegen das humanitäre Völkerrecht. Der internationale Strafgerichtshof sowie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hatten diesen Passus im vom Kongress verabschiedeten Gesetz kritisiert.
Kriminelle Energie im kolumbianischen Kongress
Nachtrag zu den Kongresswahlen vom vergangenen 11. März: gemäss einer Untersuchung der NGO Fundación Paz y Reconciliación haben über 40 Prozent der KandidatInnen für die Kongresswahlen Beziehungen zu kriminellen Organisationen.
An erster Stelle stehen dabei Beziehungen zu paramilitärischen Gruppierungen. Verschiedene KandidatInnen wurden bereits für ihre Beziehungen und die Unterstützung von Paramilitärs verurteilt, gegen andere laufen Untersuchungen.
Gegen weitere KandidatInnen laufen Untersuchungen wegen Schmiergeldzahlungen an Beamte des Obersten Gerichtshofs oder im Rahmen der Korruptionsermittlungen im Fall Odebrecht.
Die Staatsanwaltschaft wiederum eröffnete eine politisch motivierte Untersuchung gegen den Kleinbauernführer und Senator Alberto Castilla sowie den indigenen Kongressabgeordneten Germán Carlosama wegen angeblichen Verbindungen zum ELN.
http://www.vanguardia.com/politica/418972-estos-son-los-cuestionados-candidatos-al-congreso
Vorschlag für Verfahrensregeln der JEP
Die gewählten RichterInnen der Jurisdicción Especial para la Paz (JEP) haben Präsident Santos einen Vorschlag für die Verfahrensregeln der Sonderjustiz vorgelegt. Die Regierung wird nun auf dieser Basis einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, der dann im Kongress behandelt wird.
IV. Tipps und Hinweise
Weg der Menschenrechte: Globale Geschäfte – globale Verantwortung (Comundo)
Gemeinsam unterwegs für eine verantwortungsvolle Weltwirtschaft
Thematische Wanderung von Immensee nach Luzern, mit Referat von Stephan Suhner (ask! Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien)
Samstag, 28. April 2018, 15:45 – 22:30 Uhr, Anmeldung bis 19. April 2018, CHF 30.- für die Verpflegung
Weitere Informationen: http://www.comundo.org/de/agenda/agenda/
Konzernverantwortungsinitiative – Situation in den Glencoreminen
Podium mit AktivistInnen aus der Demokratischen Republik Kongo, Kolumbien und Australien
Dienstag, 1. Mai 2018; 18:00-19:30 Uhr; Kirchgemeindehaus Offener St. Jakob, Stauffacherstasse 8, 8004 Zürich
Weitere Informationen: https://www.1mai.ch/event/konzernverantwortungsinitiative-situation-in-den-glencore-minen/
Fluchtursachen überwinden – Podium zu globalisierter Wirtschaft und Flucht
Save the date: genaueres Programm folgt; mit Impulsreferat von Stephan Suhner, Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Dienstag, 1. Mai 2018: 20:00 Uhr; Kanonengasse 20, 8004 Zürich
Weitere Informationen/Programm: https://solinetz-zh.ch/-veranstaltungen/
Zur Veranstaltung auf Facebook: https://www.facebook.com/events/430973234029151/
V. Lesenswerte Artikel
– Spannungen und Freundschaften in der Grenzregion zwischen Venezuela und Kolumbien: https://www.npla.de/poonal/migration-militaer-und-machtverhaeltnisse-in-der-kolumbianisch-venezolanischen-grenzregion/
– Waffen für die Guten? Wie schlechte Ideen aus den USA im Uribismus einen fruchtbaren Nährboden finden: https://www.razonpublica.com/index.php/internacional-temas-32/10921-armas-de-fuego-un-problema-sin-control.html
– Welcher Postkonflikt? In vielen Gebieten lebt die Bevölkerung heute mehr in Angst als unter den FARC: http://m.elcolombiano.com/colombia/paz-y-derechos-humanos/segun-cicr-en-colombia-no-existe-el-posconflicto-GB8276877
– Viel Unterstützung für den Bergbau durch die rechten Präsidentschaftskandidaten: http://colombia.pitirre.info/latest-news/la-mineria-necesita-acelerador-dicen-vargas-duque-y-pinzon/
Redaktion: Fabian Dreher
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