2018 sind Wahlen in Kolumbien, den Auftakt machen dabei die Wahlen zum Kongress am 11. März 2018. Trotz hoffnungsvollen Zeichen in den letzten Jahren wird der Wahlkampf stark von Gewalt überschattet.
Nach dem Ende des Waffenstillstands zwischen dem ELN und der Regierung sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften, paramilitärischen Organisationen und ELN wieder aufgeflammt. Keiner der Konfliktakteure nimmt dabei gross Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten.
Stark von Gewalt betroffen sind insbesondere auch MenschenrechtsverteidigerInnen und soziale Führungspersonen. Die Morde an ihnen erreichen nach 2017 auch im noch jungen 2018 traurige Rekorde. Neue Aktionspläne der Regierung klingen zwar teils vielversprechend, werden aber wohl wie vergangene Initiativen mangels Finanzierung kaum umgesetzt.
Auch die neue Partei der FARC hat mit Gewalt zu Kämpfen. Nach Ausschreitungen und Drohungen gegen KandidatInnen der FARC bei Wahlkampfveranstaltungen unterbrach die Parteileitung den Wahlkampf für zwei Wochen. Ob unter solchen Umständen freie und faire Wahlen möglich sind, ist zumindest zweifelhaft. Die kommenden Wahlen werden zeigen, ob Kolumbien weiter auf den Frieden setzt und dabei langsam mit seiner gewaltvollen zu brechen Vergangenheit vermag.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel
Bewaffneter Streik und Haftbefehle
Im Februar 2018 erlitten die Hoffnungen auf ein baldiges Friedensabkommen zwischen der Regierung Kolumbiens und dem ELN erneut Rückschläge. Nach Anschlägen des ELN und Gegenschlägen der staatlichen Sicherheitskräfte reagierten beide Seiten mit Eskalation: das ELN rief einen bewaffneten Streik aus und die Regierung antwortete mit Haftbefehlen für die Führungsspitze des ELN.
(Von Fabian Dreher)
Umstrittener Wahlkampf der Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común
Am 11. März 2018 wählt Kolumbien ein neues Parlament. Unter den KandidatInnen für das Abgeordnetenhaus und den Senat befinden sich dieses Mal auch Mitglieder der politischen Partei FARC, die vor einem Jahr noch Mitglied einer aktiven Guerillaorganisation waren. Ihre Kandidaturen stossen heute nicht bei allen auf Gegenliebe. Auf Grund von Gewalt und Drohungen mussten die FARC im Februar sogar ihren Wahlkampf für beinahe zwei Wochen aussetzen.
(Von Fabian Dreher)
II. Monatsbericht: Fünf Stimmen aus der Guajira – Gescheiterte Umsiedlungen, enttäuschte Gemeinschaften und eine geschundene Umwelt
Anfang November 2017 besuchten wir während vier Tagen von Umsiedlungen betroffene Gemeinschaften in der Guajira und sprachen mit sozialen Führungspersonen und AnwohnerInnen der Mine El Cerrejón. Fünf Personen kommen in diesem Monatsbericht zu Wort und legen Zeugnis ab über enttäuschte Hoffnungen, gescheiterte Umsiedlungen, gespaltene und entwurzelte Gemeinschaften und eine geschundene Umwelt. In krassem Gegensatz dazu steht das Bild, das Cerrejón von sich selbst und von den Gemeinschaften in seinem Einflussbereich zeichnet.
(Von Stephan Suhner und Ann-Seline Fankhauser)
http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/gescheiterte-umsiedlungen-in-der-guajira/
III. Apropos
Kolumbien versagt beim Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen
Im letzten Newsletter (Januar 2018) berichteten wir über den traurigen Rekord von Morden an MenschenrechtsverteidigerInnen in Kolumbien im Vorjahr. Im Januar 2018 hat sich die Sicherheitslage für MenschenrechtsverteidigerInnen und soziale Führungspersonen in Kolumbien leider noch einmal verschlechtert. Wie die Cumbre Agraria, Campesina, Étnica y Popular anführt, wurden im vergangenen Monat bereits mindestens 30 MenschenrechtsverteidigerInnen ermordet. An gemeinsamen Verhandlungen mit dem Innenministerium soll nach Lösungen für die dramatische Lage gesucht werden.
Auf dem Papier unternimmt die Regierung Kolumbiens nicht wenig zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen. Neben der Nationalen Schutzagentur Unidad Nacional de Protección (UNP) werden regelmässig auch Polizei und Armee für Schutzaufgaben versprochen, Regierung und Staatsanwaltschaft wollen mehr Verbrechen aufklären und im Februar 2018 stellte Präsident Santos ein Gesetzesdekret für einen neuen kollektiven Schutzstatus vor. Allein, in der Realität bleibt es meistens bei Versprechungen. Die UNP lehnt standardmässig Anträge auf Schutz ohne Prüfung ab und dem versprochenen Gesetzesdekret muss erst noch der Kongress zustimmen. Währenddessen wird weiterhin fast jeden Tag einE MenschenrechtsverteidigerIn ermordet.
Zunehmende Drohungen gegen JournalistInnen
Während die physische Gewalt gegen JournalistInnen in Kolumbien abnimmt, werden immer mehr Medienschaffende mittels Drohungen unter Druck gesetzt. Von den Drohnungen ist die journalistische Arbeit in ganz Kolumbien betroffen, wie aus dem Bericht der JournalistInnenföderation Kolumbiens FECOLPER hervorgeht: insbesondere die Hauptstadtregion um Bogotá, jedoch auch stark betroffen sind Medienschaffende in Antioquia, Cauca, Valle, Santander und weiteren Departementen. Zudem werden JournalistInnen oft auch mit Hilfe der Justiz unter Druck gesetzt.
Zusammen mit der hohen Straflosigkeit für Vergehen gegen die Pressefreiheit und dem mangelnden Schutz der Medienschaffenden entsteht in weiten Teilen Kolumbien ein Klima der Angst, das eine unabhängige Berichterstattung einschränkt und oft sogar verunmöglicht.
Partizipation von Frauen- und LGBTI-Rechtsorganisationen im Friedensprozess
Mit zwei Broschüren macht die NGO Fundación Ideas para la Paz (FIP) gemeinsam mit der Frauenorganisation der UNO auf den Beitrag von Frauen- und LGBTI-Rechtsorganisationen im Friedensprozess mit den FARC aufmerksam. Frauen und Angehörige der LGBTI-Gemeinschaft wurden und werden überdurchschnittlich oft Opfer der bewaffneten Konflikte. Entsprechend wichtig ist ihre Beteiligung und die Berücksichtigung ihrer Anliegen im Rahmen der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Regierung und FARC.
http://cdn.ideaspaz.org/media/website/document/5a1735ee6eb2c.pdf
http://cdn.ideaspaz.org/media/website/document/5a17367b0c749.pdf
Der Valentinstag ist für die kolumbianischen Blumenarbeiterinnen kein Freudentag
Am 14. Februar, anlässlich des Valentinstags, richtete die ask! ihr Augenmerk auf die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen der kolumbianischen Blumenindustrie. Nach Holland ist Kolumbien der zweitgrösste Blumenexporteur der Welt, über 75% der Blumen aus Kolumbien werden in die USA exportiert.
Die kolumbianische Blumenindustrie beschäftigt ca. 130’000 Personen, davon mindestens 65% Frauen unter teils prekären Bedingungen. Oft erhalten die ArbeiterInnen nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn bezahlt, in der Hochsaison um den Valentinstag sind Tage mit 20 Arbeitsstunden nicht selten. Auf Grund des hohen Produktionsdrucks haben viele ArbeiterInnen Gesundheitsprobleme und sind zudem giftigen Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt. Der im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen den USA und Kolumbien ausgearbeitete Plan de Accion Laboral (Aktionsplan für Arbeit), der eigentlich die Arbeitsrechte für KolumbianerInnen schützen sollte, hat bis heute nicht zu Verbesserungen geführt. Mehr dazu:
Oberster Gerichtshof Kolumbiens eröffnet Untersuchung gegen Álvaro Uribe
Der Oberste Gerichtshof Kolumbiens hat am 17. Februar 2018 bekannt gegeben, eine Untersuchung gegen den ehemaligen Präsidenten und gegenwärtigen Senator Álvaro Uribe zu eröffnen wegen der Beeinflussung und Manipulation von Zeugenaussagen. Die gefälschten Zeugenaussagen wurden verwendet, um den Senator Iván Cepeda zu belasten und mundtot zu machen. Dieser hatte Uribe beschuldigt, zusammen mit seinem Bruder und anderen Personen in Antioquia eine paramilitärische Organisation gegründet zu haben, die in der Folge für gezielte Tötungen und Massaker verantwortlich war. Der Bruder von Álvaro Uribe, Santiago Uribe, steht aktuell wegen der Unterstützung von Paramilitärs vor Gericht. Die Untersuchung gegen Iván Cepeda wegen der Manipulation gegenteiliger Zeugenaussagen wurde entsprechend eingestellt.
Bericht: Rekrutierung von Minderjährigen in Kolumbien
Der im Februar 2018 publizierte Bericht des Nationalen Zentrums für Historische Erinnerung (Centro Nacional de Memoria Histórica) „Una Guerra Sin Edad“ (Ein Krieg ohne Alter) befasst sich mit der Rekrutierung und dem Einsatz von Kindern und Jugendlichen durch die verschiedenen Akteure des bewaffneten Konflikts. Eine grosse Mehrheit der Rekrutierungen von Minderjährigen geht auf das Konto der Guerillas (69%) sowie paramilitärischer Organisationen (24%).
Der Bericht kann unter dem folgenden Link heruntergeladen werden: http://www.centrodememoriahistorica.gov.co/informes/informes-2018/una-guerra-sin-edad
Crepes & Waffles honoriert Widerstand gegen Goldabbau
Im März 2017 haben 97% der Einwohner Cajamarcas sich in einer Volksbefragung gegen den Bergbau und damit gegen die grösste Goldmine Lateinamerikas von Anglo Gold Ashanti ausgesprochen. Wenig später hat die kolumbianische Restaurantkette Crepes & Waffles beschlossen, die Landwirtschaft Cajamarcas zu stärken und verstärkt Produkte der Region in ihre Menüs aufzunehmen. Crepes & Waffles sei beeindruckt gewesen von der Entschlossenheit, mit der die Cajamarcunos ihre Landwirtschaft und den natürlichen Reichtum verteidigten und sich weigerten, 33 Millionen Unzen Gold abbauen zu lassen. Crepes & Waffles liess sich dadurch zu neuen gastronomischen Kreationen inspirieren, deren wichtigster Bestandteil die Arracacha ist, ein Wurzelgemüse das unserem Sellerie ähnelt. Cajamarca ist der wichtigste Produzent von Arracacha weltweit. Unter anderem gibt es ein Crêpe namens Saqqara, was „Führer der den Weg zeigt“ bedeutet, und Arracacha wird ebenfalls in Salaten verwendet. Crepes & Waffles sieht seine Initiative als eine Würdigung der Weitsichtigkeit und des Mutes der Cajamarcunos und will helfen, die lokale (Land-)Wirtschaft zu stärken und damit die Natur und die Biodiversität zu schützen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Arakacha
IV. Tipps und Hinweise
Veranstaltungen der ask! zu den Wahlen in Kolumbien
Am Sonntag 11. März 2018 sind in Kolumbien Kongresswahlen. Von ihrem Ausgang hängt es ab, wie es mit dem Friedensprozess und der Menschenrechtssituation weiter geht. Erst rund 18% der notwendigen Massnahmen des Friedensabkommens zwischen der FARC und der Regierung sind nach einem guten Jahr umgesetzt. Das Jahr 2018 hat blutig begonnen: allein im Januar fielen 31 Menschenrechts- und Friedensaktivisten Morden zum Opfer. Wird die Rechte um Ex-Präsident Uribe mit den Wahlen noch stärker, dürfte die weitere Umsetzung des Friedensabkommens gefährdet sein.
Die ask! hat zwei Gäste aus Kolumbien eingeladen, die direkt aus ihrer Arbeit und vom Wahlausgang berichten und eine erste Einschätzung vornehmen.
Jahel Quiroga, Direktorin der NGO Reiniciar. Reiniciar leistet Bildungarbeit im Menschenrechtsbereich und setzt sich juristisch für die Rechte der Opfer ein, unterstützt sie psychosozial und leistet Lobbyarbeit.
Adriel Ruiz von der Fundación Espacios de Convivencia y Desarrollo Social (FUNDESCODES). Fundescodes ist eine soziale Basisorganisation aus Buenaventura, die Menschenrechtsarbeit leistet, die traditionellen Territorien der AfrokolumbianerInnen verteidigt und Bewusstseins- und gesellschaftliche Organisationsprozesse anstrebt.
Öffentlicher Vortrag am 13. März 2018 um 19:15 Uhr in Zürich, wahrscheinlich an der Universität
Öffentlicher Vortrag am 14. März 2018 um 19:15 Uhr in Bern, wahrscheinlich an der Universität
Weitere Infos folgen in den nächsten Tagen auf unserer Webseite: http://www.askonline.ch/veranstaltungen/
Globale Geschäfte, globale Verantwortung? – Podiumsdiskussion
Podiumsdiskussion zur Konzernverantwortungsinitiative
Donnerstag, 22. März 2018, 19:00 Uhr, Hörsaal 10, Universität und PH Gebäude Luzern, Frohburgstrasse 3, Luzern
Die Veranstaltung wird von der ask! Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien sowie ihrer Regionalgruppe Luzern unterstützt.
Globale Geschäfte, globale Verantwortung – Filmvorführung „Trading Paradise“
Ein Film, der die Rolle der Schweiz als Rohstoffhandelsplatz aufzeigt. (Von Daniel Schweizer, CH 2016, 78min)
Anschliessend Information und Diskussion
Dienstag, 27. März 2018, 19:30 Uhr, Neubad Luzern, Pool
Weg der Menschenrechte: Globale Geschäfte – globale Verantwortung (Comundo)
Gemeinsam unterwegs für eine verantwortungsvolle Weltwirtschaft
Thematische Wanderung von Immensee nach Luzern, mit Referat von Stephan Suhner (ask! Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien)
Samstag, 28. April 2018, 15:45 – 22:30 Uhr, Anmeldung bis 19. April 2018, CHF 30.- für die Verpflegung
Weitere Informationen: http://www.comundo.org/de/agenda/agenda/
RomeroTag 2018: Solidarität neu buchstabieren
Unsere Gesellschaft braucht solidarisches Handeln, auf lokaler wie auch auf globaler Ebene, um Armut und Unterdrückung zu überwinden.
Samstag, 24. März 2018, 09.00-13.30 Uhr; RomeroHaus Luzern; Anmeldung bis 19. März 2018; Eintritt inkl. Frühstück CHF 50.- / 35.-
Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.comundo.org/de/agenda/agenda/?504/RomeroTag-2018-Solidaritat-neu-buchstabieren
Jahresbericht 2017 der ask! Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Wirtschaft und Menschenrechte, Frieden, das Jubiläum zum 30jährigen Bestehen der ask!, unsere Regionalgruppen. Der Jahresbericht fasst die Lage der Menschenrechte in Kolumbien und die Aktivitäten der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien übersichtlich zusammen.
V. Lesenswerte Artikel
– Die Identitätssuche von Transpersonen im bewaffneten Konflikt: http://www.tagesspiegel.de/berlin/queerspiegel/transgender-in-kolumbien-als-versteckte-transfrau-bei-der-farc-guerilla/20910498.html
– In einzelnen Regionen Kolumbiens ist der Frieden angekommen: http://m.elcolombiano.com/colombia/paz-y-derechos-humanos/hay-regiones-en-las-que-ahora-si-se-habla-de-paz-XE8125990
– Mangelhafter Schutz von Küsten und Meeresgebieten in Kolumbien: https://www.razonpublica.com/index.php/econom-y-sociedad-temas-29/10850-nuestras-costas-y-zonas-marinas-descuidadas.html
– Auswirkungen der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise in Venezuela auf Kolumbien: https://www.razonpublica.com/index.php/internacional-temas-32/10897-la-crisis-de-venezuela-una-amenaza-grave-para-colombia.html
Redaktion: Fabian Dreher
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