Kolumbien-aktuell No. 564 und Monatsbericht | November 2016

Liebe Leserinnen und Leser Der neue Friedensvertrag wird morgen unterschrieben. In unserem Leitartikel analysieren wir, was sich dabei geändert hat, besonders in Bezug auf die Landfrage. Vielen Dank all jenen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben. Wir hoffen, unsere Publikationen im 2017 entsprechend verbessern zu können. Solidarische Grüsse aus der Redaktion! I. Artikel Das neue […]

Liebe Leserinnen und Leser

Der neue Friedensvertrag wird morgen unterschrieben. In unserem Leitartikel analysieren wir, was sich dabei geändert hat, besonders in Bezug auf die Landfrage.

Vielen Dank all jenen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben. Wir hoffen, unsere Publikationen im 2017 entsprechend verbessern zu können.

Solidarische Grüsse aus der Redaktion!

I. Artikel

Das neue Friedensabkommen – ein Rückschritt für die kleinbäuerliche Landwirtschaft

Am 24. November 2016 wurde das neue Friedensabkommen in einem protokollarischen Akt von Präsident Santos und dem Oberkommandierenden der FARC, Rodrigo Londoño alias Timochenko, feierlich unterzeichnet. In gut dreiwöchigen intensiven Verhandlungen wurde über die rund 400 Änderungsvorschläge der Gegner des ersten Abkommens beraten. Viele Punkte wurden aufgenommen, Präsident Santos stellte aber auch schnell klar, welche Themen und Vorschläge nicht verhandelbar waren.

(Von Stephan Suhner)

http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/friedensverhandlungen/das-neue-friedensabkommen-ein-rueckschritt-fuer-die-kleinbaeuerliche-landwirtschaft/

Bis wir sie finden!

60‘630 KolumbianerInnen sind in den letzten 45 Jahren gewaltsam zum Verschwinden gebracht worden. Mindestens. Das sind doppelt so viele Menschen wie in den Diktaturen von Argentinien, Chile und Uruguay zusammen. Es sind drei Menschen täglich, die nicht nach Hause zurückgekehrt sind. Und es führt zu Tausenden von Familien, die jeden Morgen mit dem Bewusstsein erwachen, dass ein geliebtes Familienmitglied fehlt und sie nicht wissen, was mit ihm geschehen ist.

(Von Regula Fahrländer)

http://www.askonline.ch/themen/menschenrechte/analysen-und-berichte-der-ask/bis-wir-sie-finden/

II.Monatsbericht: „Frieden bedeutet, benachteiligte Bevölkerungsgruppen einzubeziehen.“

Vom 23. Oktober bis zum 3. November waren Luz Estella Romero von Colemad und Ricardo Esquivia von Sembrandopaz im Rahmen des Friedensförderungsprogramms „Semillas de Esperanza“ in der Schweiz. An sechs öffentlichen Veranstaltungen in Zürich, Luzern, Freiburg, Bern, Genf und Basel haben sie von ihrer Arbeit und den Herausforderungen für die Zivilgesellschaft rund um die Friedensverhandlungen berichtet. Vor ihrer Abreise haben wir zusammen auf die Zeit in der Schweiz zurückgeblickt.

(Von Regula Fahrländer)

http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/frieden-bedeutet-benachteiligte-bevoelkerungsgruppen-einzubeziehen/

III. Apropos

Schwere Gewaltwelle gegen soziale Führungspersonen in Kolumbien

Die Unterzeichnung des neuen Friedensabkommens letzte Woche wurde durch eine Gewaltwelle gegen soziale Führungspersonen und FriedensaktivistInnen überschattet. Allein am Wochenende vom 19./20. November gab es fünf bewaffnete Überfälle auf Mitglieder der Marcha Patriotica im Süden des Landes. Insgesamt wurden bei dieser Gewaltwelle fünf Menschen getötet, eine Person wurde schwer verletzt und es gab verschiedene weitere Attentatsversuche. So kam es in Sucre zu einem versuchten Mordanschlag gegen Argemiro Lara, Landrechtsaktivist auf der Farm La Europa in der Gemeinde Ovejas und Mitglied des Opferverbandes MOVICE. Die Situation der MenschenrechtsverteidigerInnen und der sozialen Führungspersonen ist 2016 besorgniserregend: es gab bislang 70 Morde, 30 davon fanden statt, nachdem der definitive und bilaterale Waffenstillstand zwischen den FARC und der Regierung erklärt wurde. Die Basisbewegung Marcha Patriótica zählte im Verlauf dieses Jahres zudem 341 Aggressionen und 279 Drohungen gegen ihre Mitglieder.

Menschenrechtsorganisationen rufen die Regierung deshalb auf, die Hochrangige Kommission für Sicherheitsgarantien, wie sie im Friedensabkommen vorgesehen ist, rasch zu implementieren, um so den Paramilitarismus effizient bekämpfen zu können. Die Staatsanwaltschaft wird aufgefordert, rasche Untersuchungen durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Zudem brauche es eine verstärkte Verifikation der Menschenrechtssituation durch die UNO, wozu dem UNO Menschenrechtsbüro OACNUDH in Kolumbien ein Mandat erteilt werden solle.

http://coeuropa.org.co/grave-situacion-de-violencia-contra-lideres-sociales-y-defensores-de-ddhh-hace-indispensable-la-verificacion-en-derechos-humanos-por-parte-de-naciones-unidas-durante-la-implementacion-del-acuerdo/

http://www.elespectador.com/noticias/judicial/dirigentes-sociales-sin-garantias-de-seguridad-articulo-666511

KolumbianerInnen demonstrieren gegen geschlechterspezifische Gewalt 

Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen haben am 25. November KolumbianerInnen aus allen Landesregionen in Bogotá demonstriert. Kundgetan haben sie dabei nicht nur ihren Unmut über Gewalt an Frauen, sondern auch ihre Unterstützung bei den Friedensverhandlungen zwischen Regierung und FARC und deren Umsetzung. Dafür müssten Frauen aber mehr ins politische Geschehen einbezogen werden und ihre Meinungsfreiheit garantiert werden. Klar war für sie aber auch: Solange nicht alle Frauen ein gewaltfreies Leben geniessen können gibt es keinen wirklichen Frieden. Ziel der Demonstration war dann auch, auf die jährlichen 19‘000 Fällen von Gewalt an Frauen aufmerksam zu machen, an die Öffentlichkeit zu treten und weitere Frauen dazu zu ermutigen, Gewaltakte anzuzeigen. Die UNO ihrerseits weist darauf hin, dass in Kolumbien täglich 21 Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren vergewaltigt werden. Wie überall auf der Welt sind die Täter in den meisten Fällen die Lebenspartner.

http://www.eltiempo.com/bogota/daa-internacional-para-eliminar-la-violencia-contra-la-mujer-en-bogota/16759173

Verfassungsgericht fordert Cerrejón auf, die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung zu garantieren

In einem Urteil von Anfang November 2016 hat das Verfassungsgericht das Bergbauunternehmen Cerrejón angeordnet, einen Plan auszuarbeiten, mit dem eine ausreichende Trinkwasserversorgung für die lokale Bevölkerung garantiert werde. Ein normales Familien- und Arbeitsleben sei in den Umsiedlungsgebieten nicht möglich (das Urteil bezieht sich u.a. auf die Weiler Chancleta und Patilla der Gemeinde Barrancas). Bis heute seien keine ausreichenden Massnahmen ergriffen worden, um die Armut, die Ernährungskrise und mögliche Gesundheitsschäden zu bekämpfen. Auch die Staub- und Feinstaubbelastung hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit. Die Umweltverschmutzung sowie der Mangel an Nahrung und Trinkwasser führen zu erhöhter Kindersterblichkeit. Offizielle Zahlen gehen von ca. 5000 verstorbenen Wayuu-Kindern in den letzten 15 Jahren aus, wobei angesichts der Abgeschiedenheit vieler indigener Gemeinschaften eine hohe Dunkelziffer vermutet wird.

Bisherige Flussumleitungen unter anderem des wichtigsten Flusses Ranchería, verschärften die Probleme: nicht nur Trinkwasser wurde knapp, sondern auch für die Bewässerung und die Viehzucht fehlt das Wasser, wovon insbesondere indigene Gemeinschaften betroffen sind. Trotzdem ist Cerrejón nun daran, einen weiteren wichtigen Zubringer des Ranchería-Flusses umzuleiten, den Arroyo Bruno. Vor kurzem haben die Arbeiten an der eigentlichen Umleitung wieder begonnen. 80% der Arbeiten sollen schon beendet sein, um die 3,6 km des Flusses umzuleiten, und neue Pläne wollen zusätzlich weitere 9 km des Arroyo Bruno umleiten. Früher im Jahr mussten die Vorbereitungsarbeiten unterbrochen werden, da die unvollständigen vorgängigen Konsultationsprozesse von den Gemeinschaften juristisch angefochten wurde. Naheliegende Gemeinschaften und ein Netzwerk von nationalen und internationalen Menschenrechts- und Umweltorganisationen wehrten sich mit einer breiten Kampagne gegen diese erneute Umleitung.

http://www.nodal.am/2016/11/colombia-la-corte-ordena-garantizar-el-agua-potable-a-comunidades-indigenas-de-la-guajira/

http://www.eltiempo.com/estilo-de-vida/ciencia/desviacion-del-arroyo-bruno-por-cerrejon/16598724

IV.Tipps und Hinweise

Urgent Action von Amnesty International zur Tötung von LandrechtsaktivistInnen

Argemiro Lara, Sprecher der kleinbäuerlichen Gemeinschaft der Farm La Europa in der Gemeinde Ovejas im Departamento Sucre hat am 17. November  einen Tötungsversuch überlebt. Dabei handelt es sich ein weiterer Vorfall in einem Klima zunehmender Angriffe auf das Leben von Menschenrechtsverteidiger_innen. Amnesty International ruft dazu auf, Präsident Santos via E-Mail oder Brief aufzufordern, sich für den Schutz an Menschenrechtsverteidiger_innen einzusetzen.

http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-269-2016/versuchte-toetung-eines-kleinbauern

TV-Erstausstrahlung des Dokumentarfilms La buena vida – Das gute Leben auf 3sat
Der Film erzählt die Geschichte der indigenen kolumbianischen Dorfgemeinschaft Tamaquito, die in den Sog des globalen Kampfes um Energieressourcen gerät. Der Film hat bereits zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Bayerischen Filmpreis erhalten und war auf der Shortlist für den Europäischen Filmpreis und wurde für den Deutschen Menschenrechtsfilmpreis nominiert.

Datum und Zeit: 12. Dezember 2016, 22:25 Uhr

Mehr dazu: http://www.3sat.de/page/?source=/film/dokumentarfilm/189773/index.html

Redaktion: Regula Fahrländer

 

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