30. März 2016 – In Kolumbien haben die Regierung und das „Nationale
Befreiungsheer“ (Ejército de Liberación Nacional, ELN), die zweitgrößte
Guerilla-Gruppe des Landes, Friedensgespräche angekündigt. Die Rechte
der Opfer von Menschenrechtsverletzungen sollten im Zentrum der
Friedensgespräche stehen.
Die Regierung und die ELN kündigten an, dass bald offizielle
Friedensverhandlungen in Ecuador aufgenommen werden sollen. Erwartet
wird zudem, dass die größte Guerilla-Gruppe Kolumbiens, die „Bewaffneten
Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Fuerzas Armadas Revolucionarias
de Colombia, FARC), nach über drei Jahren Verhandlungen in den nächsten
Wochen oder Monaten einen Friedensvertrag mit der Regierung unterzeichnen.
„Die Gespräche zwischen ELN und Regierung und das näherrückende Abkommen
mit den FARC machen Hoffnung, dass über ein halbes Jahrhundert Konflikt
in Kolumbien bald vorbei sein könnte“, sagt Erika Guevara-Rosas,
Amerikas-Direktorin bei Amnesty International.
„Regierung und ELN müssen dabei gewährleisten, dass die Menschenrechte
im Zentrum ihrer Verhandlungen stehen. Dazu gehören auch Maßnahmen, um
der Straflosigkeit in Kolumbien ein Ende zu setzen. Alle, die im
Verdacht stehen, völkerrechtlich strafbare Handlungen begangen zu haben,
müssen vor ein ziviles Gericht gestellt werden. Dies muss für Angehörige
staatlicher Sicherheitskräfte und paramilitärischen oder
Guerilla-Gruppen genauso gelten wie für Geschäftsleute und
Politikerinnen und Politiker.“
Der seit 50 Jahren andauernde Konflikt in Kolumbien ist von
weitverbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen
gekennzeichnet, darunter widerrechtliche Tötungen, Verschwindenlassen,
Folter, Vertreibung und sexualisierte Gewalt. Verantwortlich für diese
Verbrechen sind die Guerilla-Gruppen genauso wie die staatlichen
Sicherheitskräfte, die allein oder in geheimen Absprachen mit
paramilitärischen Gruppen operieren.
„Ohne vollständigen Respekt für die Rechte der Opfer auf Wahrheit,
Gerechtigkeit und Wiedergutmachung kann es keinen dauerhaften Frieden
geben“, sagt Erika Guevara-Rosas. „Die Vereinbarungen zur Justiz, die
bisher mit den FARC erzielt worden sind, scheinen jedoch weit hinter
diesen Anforderungen zurück zu bleiben.“
Sorge bereitet zudem, dass indigene, afrokolumbianische und
kleinbäuerliche Gemeinden ebenso wie Menschenrechtsverteidigerinnen und
-verteidiger, Gemeindesprecherinnen und – sprecher und
Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nach wie vor besonderen Gefahren
ausgesetzt sind. Drohungen und Morde gegen sie haben in letzter Zeit
sogar zugenommen. Dahinter stehen meist paramilitärische Gruppen.
„Die jüngsten Übergriffe gegen Aktivistinnen und Aktivsiten sowie andere
zivilgesellschaftliche Gruppen zeigen deutlich, dass die
Menschenrechtskrise in Kolumbien trotz der Friedensgespräche andauert“,
mahnt Erika Guevara-Rosas.
„Die Behörden in Kolumbien müssen unverzüglich ihre Anstrengungen
verstärken, gefährdete Gruppen und Gemeinden zu schützen. Das bedeutet
auch, dass paramilitärische Gruppen wirksam bekämpft und ihre
Verbindungen, die sie nach wie vor zu einigen Zweigen der staatlichen
Sicherheitskräfte unterhalten, zerschlagen werden müssen