Liebe Leserinnen und Leser
Mit neuer Energie und Motivation melden wir uns zurück aus der Sommerpause und wünschen gute Lektüre.
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel Prozess der „Deeskalation“ von Regierung und FARC eingeleitet
Zu Jahresbeginn schien die bilaterale Waffenruhe in greifbarer Nähe. Dann kam es anders: Der Konflikt eskalierte erneut und stürzte die Friedensverhandlungen in eine weitere Krise. Mit einer gemeinsamen Mitteilung vom Verhandlungstisch anfangs Juni fanden die beiden Konfliktparteien vorläufig aus der Sackgasse heraus. Dabei steht die „Deeskalation“ des Konfliktes im Zentrum.
(Von Regula Fahrländer)
http://www.askonline.ch/themen/friedensfoerderung/friedensverhandlungen/prozess-der-deseskalation-von-regierung-und-farc-eingeleitet/
15 Falsos Positivos judiciales in Bogotá
Am 8. Juli wurden in Bogotá 15 AktivistInnen festgenommen. Sie werden beschuldigt, mit der ELN zusammen zwei Attentate verübt zu haben. Seither sind sie inhaftiert, trotz mangelnder Beweislage. Unterstützung kommt aus dem ganzen Land und über die Grenzen hinaus.
(Von Regula Fahrländer)
Patentschutz für Novartis Blockbuster: SECO lobbyiert gegen Interessen kolumbianischer Krebspatienten
Krebsmedikamente sind sehr teuer und machen in vielen Ländern eine Behandlung der Patienten schwierig bis unmöglich. Ein Beispiel dafür ist der Wirkstoff Imatinib, den Novartis unter dem Markennamen Glivec patentiert hat. In Kolumbien hat Novartis nach langem Rechtsstreit 2012 das Patent auf G livec erhalten und dadurch verschiedene Generika vom Markt verdrängt. Gesundheitsexperten erachten den überhöhten Preis von Glivec als eine der Ursachen für die finanziellen Schwierigkeiten des kolumbianischen Gesundheitssystems, weshalb sich verschiedene kolumbianische Stiftungen und NGOs des Gesundheitsbereiches dafür einsetzen, dass Kolumbien für Imatinib eine Zwangslizenz erteilt und den Wirkstoff als wichtig für das Gemeinwohl deklariert.
(Von Stephan Suhner)
II. Monatsbericht: Die Konzernverantwortungsinitiative im Praxistest
Seit über zehn Jahren befasst sich die Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien mit den Geschäftstätigkeiten von Schweizer Unternehmen in Kolumbien und mit deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt, namentlich auf marginalisierte Gemeinschaften. Im Fokus standen Nestlé, Holcim, Goldraffinerien und die Bergbauunternehmen Glencore und Xstrata. Wir befassen uns mit Gewerkschafts- und Arbeitsrechte, Landrechten, Bedrohungen und gewalttätigen Übergriffen auf Gewerkschafts- und Gemeinschaftsführer sowie mit den Auswirkungen von Bergbauprojekten auf umliegende Gemeinschaften. Die Bestimmungen der Konzernverantwortungs-Initiative (KoVI), namentlich die rechtlich verbindliche Pflicht zur Sorgfaltsprüfung, sehen wir als grosse Chance, um für Arbeitnehmende und Gemeinschaften im Einflussbereich von Schweizer Unternehmen konkrete Verbesserungen ihrer Lebensumstände zu erreichen.
(Von Dominique Rothen und Stephan Suhner)
http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/kovi-und-glencore/
III. Apropos Angekündigter Beginn der Friedensverhandlung mit den ELN
Nach einer Explorationsphase von 14 Monaten, zeichnen sich erste konkrete Schritte ab. So zumindest haben diverse Medien die Lage interpretiert. Laut Quellen der Wochenzeitschrift Semana werden die Friedensverhandlungen zwischen der ELN und der Regierung im September in Ecuador aufgenommen und auch die ehemalige Senatorin Piedad Córdoba äusserte sich in diese Richtung. Dies wären Verhandlungen, die parallel zum Friedensdialog auf Kuba stattfinden würden, bei denen jedoch die Übernahme einiger Punkte aus Kuba denkbar ist.
Schon in der Explorationsphase waren die Verhandlungen zwischen der Regierung und der zweitgrössten Guerilla beinahe gescheitert. Die grösste Unstimmigkeit betrifft die Niederlegung der Waffen. Die ELN war nicht bereit, eine Agenda zu unterschreiben, bei der es direkt um ihre Entwaffnung geht, wie dies etwa die FARC getan haben. Für Nicolás Rodríguez Bautista alias ‚Gabino‘, den höchsten Kommandanten der ELN, entscheidet das Verhalten der Regierung und das Vorwärtskommen am Verhandlungstisch über die Möglichkeit einer Entwaffnung. Für die Regierung Santos jedoch ist die Bereitschaft, die Waffen niederzulegen eine fundamentale Kondition, um einen Dialog ins Leben zu rufen.
In den letzten Wochen haben die militärischen Angriffe der ELN zugenommen, es kam zu Angriffen auf die Infrastruktur der Energieversorgung in Arauca, Angriffe auf das Militär im Catatumbo oder Bombenattentate in Bogotá. In einigen Zonen konnten sie anscheinend gar erneut an Einfluss gewinnen. AnalystInnen gehen davon aus, dass dies im Zusammenhang mit dem baldigen Dialogbeginn steht.
In Medellín wird ein Massengrab ausgehoben
Auf einer Müllhalde in Medellin haben am 27. Juli die Grabungen begonnen. Vermutet wird, dass die Abfalldeponie „La Escombrera de San Javier” während Jahrzehnten dazu gedient hat, Leichen zum Verschwinden zu bringen, vor allem aus dem gewaltgeprägten Armenviertel Comuna 13 in Medellín. In den kommenden Monate sollen 24’000 Kubikmeter Müll bis in acht Metern Tiefe abgetragen werden. Es könnte sich dabei um eines der weltweit grössten urbanen Massengräber handeln.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Überreste von bis zu 90 Menschen gefunden werden könnten, Menschenrechtsorganisationen von gar bis zu 300 Menschen. Die Ausgrabungen wurden angeordnet, nachdem einstige Paramilitärs im Demobilisierungsprozess unter dem Gesetz Justicia y Paz gestanden hatten, Leichen auf dieser Müllhalde deponiert zu haben. Der Ort steht aber auch in Zusammenhang mit der Operación Orion vom Oktober 2002, der grössten Militäroffensive Kolumbiens in einem städtischen Viertel, angeordnet vom damaligen Präsidenten Álvaro Uribe. Dabei sollte die Kontrolle über das Viertel, das von der städtischen Guerilla eingenommen worden war, zurückerlangt werden. Bei der Offensive wurden aber auch acht Menschen zum Verschwinden gebracht. In den folgenden Jahren 2002 und 2003, kontrolliert durch Paramilitärs, verschwanden weitere 89 Menschen in Medellín. Aber auch Opfer von Pablo Escobar aus den 80er Jahren und der Guerillas der 90er Jahre sollen dort entsorgt worden sein. Nun kommt Hoffnung auf, dass die Überreste einiger auf besagter Müllhalte gefunden werden.
Erneute Übergriffe und Rechtsnegierung von Aportes San Isidro gegen die Kleinbauern von Las Pavas
Anfang August 2015 sind die Kleinbauern der ASOCAB auf einen Teil der Hacienda las Pavas zurückgekehrt, um den Boden für den Anbau von dringend benötigten Lebensmitteln vorzubereiten, in der Hoffnung auf baldige Niederschläge. Wie schon in früheren Fällen hat das Palmunternehmen Aportes San Isidro durch ihre Sicherheitsangestellten die Kleinbauern eingeschüchtert und angefeindet, um deren Rückkehr zu verhindern. Angesichts der andauernden Übergriffe der Firma gelangte ASOCAB an den Bürgermeister von El Peñon, um die Umsetzung der Verfügung 073 von 2013 zu verlangen. In dieser Verfügung wird Aportes San Isidro aufgefordert, das Besitzrecht der Kleinbauern von ASOCAB über die Hacienda Las Pavas zu respektieren und jegliche Aggression gegen die Mitglieder von ASOCAB zu unterlassen. An einem Treffen im Bürgermeisteramt vom 6. August 2015 manifestierte der Rechtsvertreter von Aportes San Isidro jedoch, dass er das Besitzrecht der Campesinos nicht respektieren müsse, und dass die einzige Entscheidung des kolumbianischen Staates, die für sie Gültigkeit habe, das Urteil der Staatsanwältin Miriam Martínez von November 2011 sei. Mit dieser umstrittenen Verfügung schloss Martínez das Verfahren wegen gewaltsamer Vertreibung der Kleinbauern und hielt fest, dass es sich um falsche Opfer handle[1]. Obwohl diese umstrittene Entscheidung der Staatsanwältin später zurück genommen wurde, verkennt Aportes San Isidro sämtliche Entscheide staatlicher Instanzen zu Gunsten der Kleinbauern der ASOCAB. José Ernesto Macías sagte auch, dass das Sicherheitspersonal von Aportes San Isidro das Recht habe, die Invasion der falschen Opfer der ASOCAB zurück zu schlagen. Tatsächlich haben die Arbeiter des Palmunternehmens am 8. August 70 Bananenstauden zerstört, die ASOCAB kurz zuvor anpflanzte, und am 14. August versuchten sie Stacheldrahtrollen der ASOCAB zu entwenden und verletzten dabei ein Mitglied der ASOCAB mit Machetenhieben. In einem Communiqué vom 14. August 2015 kündigte ASOCAB an, dass sie Aportes San Isidro für sämtliche Schäden an Gütern und Personen der ASOCAB verantwortlich mache, und dass sie keine Ausdehnung der Palmpflanzungen tolerieren würden. Vom kolumbianischen Staat fordern sie die rasche Fortführung der Gerichtsverfahren wegen den gewalttätigen Übergriffen von Aportes San Isidro und effektiven Schutz durch staatliche Sicherheitskräfte vor weiteren Übergriffen, sowie eine rasche juristische Klärung der Besitzansprüche über die Hacienda Las Pavas.
https://retornoalaspavas.wordpress.com/
Die Debatte um gleichgeschlechtliche Ehe erneut im Kongress
Ende Juli nahm sich das kolumbianische Verfassungsgericht der Thematik gleichgeschlechtlicher Ehe an. Dies ist der vorläufige Höhepunkt einer jahrelangen Odyssee. Bereits 2011 hatte das Verfassungsgericht gleichgeschlechtliche Paare als Familie anerkannt, was jedoch vom Kongress verworfen wurde. Auch dieses Mal gibt das Verfassungsgericht den Entscheid dem Kongress weiter, obwohl KritikerInnen finden, das höchste Gericht hätte die Kompetenz, die Entscheidung selbst zu treffen.
Nun soll in den nächsten Wochen ein Urteil bekannt gegeben werden. Viele Leute die sich seit Jahren für die Rechte der LGBTI Gemeinschaft einsetzen, sind dieses Mal optimistisch. Zum einen hilft dabei der internationale Kontext, nur wenige Wochen zuvor haben die Verfassungsgerichte der USA und von Mexiko die gleichgeschlechtliche Ehe gutgeheissen. Zum anderen setzt sich die kolumbianische Regierung offen für die gleichgeschlechtliche Ehe und gar die Adaption durch homosexuelle Paare ein. Der Innenminister äusserte gegenüber Medien, die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare sei nur eine Frage der Zeit und eine wichtige Massnahme gegen die Diskriminierung, unter der die LGBTI-Gemeinschaft in Kolumbien leidet. Erst im Juli wurden in Cali zwei Transfrauen umgebracht und weitere angegriffen. Der kolumbianischen Organisation Colombia Diversa zufolge sind 2015 bereits 15 Transfrauen Opfer von Tötungsdelikten geworden.
http://www.semana.com/nacion/articulo/dia-historico-para-la-comunidad-lgbti/436719-3
https://amerika21.de/2015/08/125619/gleichgeschlechtliche-ehe
Die Verantwortung mehrerer Militäroberster bei der Ermordung von Jaime Garzón
Am 13. August jährte sich die Ermordung am Komiker und Journalisten Jaime Garzón zum 16. Mal. Damals wurde er in den frühen Morgenstunden auf seinem Arbeitsweg in Bogotá von Auftragsmördern erschossen. Aufgeklärt wurde die Straftat bis heute nicht. Klar ist, dass der Humor von Jaime Garzon einflussreichen Sektoren des Landes, allen voran militärischen, politischen und unternehmerischen, missfiel.
Nun hat der einstige Chef der Paramilitärs ‚Don Berna‘ aus dem Gefängnis in den USA ausgesagt, dass die ranghohen Militärs Jorge Mora Rangel und Harold Bedoya sowie der einstige Polizeimajor Mauricio Santoyo in die Ermordung verwickelt waren. Drei weitere Namen, um die lange Liste der Verdächtigen zu ergänzen. Längst befindet sich auch ‚Don Berna‘ selbst auf dieser Liste, genauso wie Carlos Castaño, der kurz vor seinem Tod für die Ermordung an Jaime Garzóns verurteilt wurde. Nebst Mora Rangel und Bedoya werden auch weitere Mitglieder der Streitkräfte mit der Ermordung in Bezug gebracht, allen voran der einstige Subdirektor des Inlandgeheimdienstes DAS José Miguel Narváez. Die Anwälte der Familie Garzón baten bereits 2012 darum, Militärs wie Mora Rangel, Bedoya und Rito Alejo del Rio in die Untersuchungen aufzunehmen. Konkrete Untersuchungsresultate aber bleiben auch zum 16. Todestag aus.
http://www.semana.com/nacion/articulo/los-militares-el-caso-de-jaime-garzon/438342-3
IV. Tipps und Hinweise
Empfehlung eines Zeitungsartikels der NZZ: Das Land der tiefen Wunden
Die Opferzahlen in Kolumbien sind erschütternd. Betroffen ist vor allem die Landbevölkerung. Den Überlebenden fällt es schwer, an den Frieden zu glauben. Er ist ihnen so fremd, wie vielen anderen der Konflikt.
http://www.nzz.ch/international/amerika/das-land-der-tiefen-wunden-1.18593960
Vormerken: Jass-Turniere in der Region Luzern und Bern
Die ask! veranstaltet dieses Jahr gleich zwei Jass-Turniere:
Sonntag, 8. November 2015 in Baar
Sonntag, 22. November 2015 in Bern
Redaktion: Regula Fahrländer