Liebe Leserinnen und Leser
Mit einer erfreulichen Nachricht vom Interamerikanischen Menschenrechtshof und einer sehr besorgniserregenden Nachricht vom Volk der Awá verabschieden wir uns für dieses Jahr. Wir wünschen gute Lektüre und schöne Festtage!
Solidarische Grüsse aus der Redaktion!
I. Artikel
Kolumbien im Falle des Justizpalastes verurteilt
Am Internationalen Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, gab der Interamerikanische Menschenrechtshof das Urteil bekannt: Der kolumbianische Staat wurde im Falle der Rückübernahme des Justizpalastes am 6. und 7. November 1985 für das Verschwindenlassen von 11 Personen verurteilt. Damit wird den Opfern und ihren Familienangehörigen nach fast 30 Jahren ein Stück Gerechtigkeit zugesprochen und die Suche nach Wahrheit unterstützt.
(Von Regula Fahrländer)
Neue Todesdrohungen gegen Awá-Führungsperson
Am 9. Dezember 2014 hat Francisco Javier Cortés Gangua zum widerholten Male Todesdrohungen seitens der neoparamilitärischen Gruppe „Los Rastrojos – Comandos Urbanos“ erhalten und hat daraufhin, um sein Leben zu schützen seinen Wohnort verlassen. Francisco war am 11./12. März 2014 in Bern unser Gast und hat uns von der schwierigen Situation des Volkes der Awá erzählt.
(Von Stephan Suhner)
II. Monatsbericht: Demokratischer Wohlstand: umstrittene Entwicklungslokomotiven, Umweltprobleme, Armut und soziale Prozesse
Mit dem Entwicklungsplan „Prosperidad democrática“ wollte Santos Kolumbien gerechter, wohlhabender und friedlicher machen. Zugpferde der Entwicklung sollten nebst anderen der Bergbau, der Agrarsektor und Infrastrukturprojekte sein. Wie steht es nach vier Jahren um die Vereinbarkeit von Extraktivismus, Umweltschutz und dem Schutz der ethnischen und kleinbäuerlichen Territorien? Ist Kolumbien gerechter geworden, und trägt dieser Entwicklungspfad wirklich zum Aufbau von Frieden bei?
(Von Stephan Suhner)
http://www.askonline.ch/publikationen/monatsberichte/demokratischer-wohlstand/
III. Apropos
Friedensverhandlungen wieder aufgenommen
Am 10. Dezember wurden die Friedensverhandlungen auf Kuba nach dreiwöchiger Pause wieder aufgenommen. Vom 10. bis 17. Dezember fand die letzte Verhandlungsrunde dieses Jahres statt. Vorgängig hatten die beiden Verhandlungsseiten in einer gemeinsamen Mitteilung bekannt gegeben, dass dabei die Deeskalation des Konfliktes besprochen würde. Am 15. Dezember hat zudem die erste Anhörung der Gender-Unterkommission stattgefunden, am 16. wurde die letzte Opferdelegation empfangen.
Die Unterbrechung der Verhandlungen wurde durch die Entführung des Generals am 16. November ausgelöst. Sie war die bisher grösste Krise der Verhandlungen. Drei von sechs Punkten auf der Verhandlungsagenda wurden bisher abgeschlossen, namentlich die Agrarfrage (Mai 2013), die politische Integration (November 2013) und die Drogenfrage (Mai 2014). Soweit sind Friedensverhandlungen in Kolumbien noch nie gekommen. Dennoch gilt weiterhin die Abmachung, dass nichts definitiv ist, bis dass alles unterzeichnet ist. Für Weihnachten haben die FARC eine unbefristete Waffenruhe ausgerufen. Die Regierung will diese aber nicht bilateral machen.
Generell hat der Friedensdialog 2014 die Agenda Kolumbiens geprägt. Dabei sind die grössten Auswirkungen politischer Natur. Die Parlamentswahlen sowie die Präsidentschaftswahlen wurden von der Aussicht auf Frieden bestimmt. Mitte Januar 2015 gehen die Verhandlungen voraussichtlich weiter.
http://www.elespectador.com/noticias/paz/2014-el-ano-el-proceso-de-paz-peligro-articulo-533147
Frauen marschieren gegen Rohstoffabbau
Ende November marschierten 60 afrokolumbianische Frauen aus dem Norden des Caucas in Richtung Bogotá los, wo sie zwei Wochen später ankamen. Damit machen sie auf die Situation ihrer Region aufmerksam, wo ihnen die Vertreibung von ihrem Land droht aufgrund Landaneignung und Vergabe von Landtiteln an internationale Bergbaukonzerne sowie durch die Präsenz von bewaffneten Gruppierungen. Vom Verfassungsgericht fordern sie deshalb, dass ihnen Schutz und Rechte gewährleistet werden. Dieses hatte 2010 bereits eine Anordnung erlassen, dass die Bergbauaktivitäten unterbrochen und eine Konsultation mit der Lokalbevölkerung unternommen werden müssen. Beides ist nicht geschehen. Bis 2010 wurden im Departement Cauca 241 Bewilligungen zur Rohstofferkundung erteilt, weitere 652 sind beantragt. Ohne Berücksichtigung der informellen Aktivitäten entspricht dies 50% des Departements.
In Bogotá angekommen, haben die Frauen das Innenministerium besetzt. Damit soll die Regierung zum Handeln bewegt werden. Die Frauen erklärten, nicht eher nach Hause zurückzukehren, als dass Abmachungen zum Schutz der Integrität ihrer Gemeinschaften im Cauca sichergestellt seien. Am 11. Dezember, nach 24 Tagen des Protestes, erreichten sie ihr Ziel: Verschiedene nationale Behörden haben sich verpflichtet, dem im Mai unterzeichneten Aktionsplan ernsthaft nachzukommen. Der erste und dringendste Punkt darin ist die Ausweisung vom illegalen Bergbau aus der Region.
http://prensarural.org/spip/spip.php?article15729
Vollumfängliche Landrückgabe nicht gewährleistet
Amnesty International klagt in einem neu erschienenen Bericht die mangelhafte Landrückgabe an. Dabei nimmt Amnesty das 2012 verabschiedete Opfer- und Landrückgabegesetz unter die Lupe und zeigt auf, dass das Gesetz gravierende Lücken aufweist und bei der Umsetzung kaum Fortschritte zu verzeichnen sind.
Zwar begrüsst die Menschenrechtsorganisation das Gesetz an sich, weil es die Existenz eines bewaffneten Konfliktes und damit das Recht der Opfer auf Wiedergutmachung festhält. Amnesty kritisiert jedoch die vielen Lücken im Gesetz und den Mangel an Begleitmassnahmen, die für eine effektive Umsetzung nötig wären. Ein zentraler Kritikpunkt ist der Umstand, dass das Gesetz nur jene Menschen berücksichtigt, die nach 1991 vertrieben worden sind. Ein Grossteil der Vertriebenen wird durch diese Einschränkung ausgeschlossen. Des Weiteren enthält das Gesetz keine Verordnungen, welche die vollständige Wiederherstellung der verlorenen Güter wie Wohnhäuser und Vieh garantieren. Der Mangel an Sicherheitsmassnahmen führt dazu, dass viele der Personen, die ihr Land zurückfordern, dennoch nicht zurückkehren können.
Deshalb fordert Amnesty, dass dem Recht aller Konfliktopfer auf Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nichtwiederholung Rechnung getragen wird und dass keine ausländischen wirtschaftlichen Investitionen auf gestohlenem Land getätigt werden.
Universitätsabschluss auch ohne Militärausweis
Der kolumbianische Senat hat Anfangs Dezember einen Vorstoss von Angélica Lozano gutgeheissen, demzufolge der Militärausweis keine legale Voraussetzungen mehr für einen Hochschulabschluss darstellen soll. Bis anhin konnten Männer, welche ihren Militärausweis nicht vorweisen konnten, keinen Abschluss an einer kolumbianischen Universität machen.
In Kolumbien ist der Militärdient obligatorisch. Wer diesen erst nach dem Studium absolvieren wollte, erhielte kein Diplom, bis dass der Militärdienst absolviert war. Problematischer ist es für all jene, die sich aus politischen, ideellen und anderen Gründen dem Kriegsdienst verweigern. Sie mussten mit der Konsequenz leben, ihr Universitätsstudium niemals offiziell abschliessen zu können. Weiterhin unmöglich ist es in Kolumbien, ohne Militärausweis eine Arbeitsstelle im öffentlichen oder privaten Sektor zu finden.
607 Opfer von Personenminen in den letzten zwei Jahren
Seit in Kolumbien die Friedensverhandlungen laufen, kam es zu 607 neuen Opfern von Personenminen. Zu diesem Schluss kommt die jährliche Publikation der Organisation International Campaign to Ban Landmines (ICBL). Der Studie zufolge sind von den 607 Opfern ein Drittel Zivilisten, darunter 57 Minderjährige.
Die Publikation des Berichtes kommt zeitgleich mit einem Vorschlag, der die kolumbianische Kampagne gegen Minen unterbreitet. Darin werden die Verhandlungsdelegationen der Regierung und der FARC dazu aufgerufen, noch vor Ende der Friedensverhandlungen ein Spezialabkommen zu vereinbaren, das die Minenräumung aus 57 hochbetroffenen Zonen in 10 Departementen erlaubt.
Weltweit war 2013 das Land mit der tiefsten Opferzahl seit dem Beginn deren Registrierung durch die ICBL 1999. Die Zahl der registrierten Opfer belief sich danach im letzten Jahr auf 3308, was einen Tagesschnitt von neun Menschenleben bedeutet. 1999 lag dieser Durchschnitt noch bei 25 Personen jährlich. 79% der Opfer sind Zivilisten.
Bericht der ICBL: http://www.icbl.org/en-gb/news-and-events/news/2014/landmine-monitor-2014-launch.aspx
Mord an Nestlé-Arbeiter Romero in Kolumbien: Beschwerde gegen die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Die Schweizer Justiz hat sich geweigert, die Rolle des Konzerns Nestlé bei der Ermordung des Arbeiters und kolumbianischen Gewerkschafters Luciano Romero aufzuklären. Deswegen hat das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) für Romeros Witwe beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Beschwerde gegen die Schweiz eingereicht. Das ECCHR beruft sich auf das Recht auf Leben (Artikel 2) und das Recht auf eine wirksame Beschwerde (Artikel 13) aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nun soll der EGMR klären, ob die Schweizer Justiz die Verantwortlichkeit Nestlés für den Mord an Romero ausreichend ermittelt hat.
IV. Tipps und Hinweise
Public Eye Lifetime Award an Glencore
Der Countdown fürs Public Eye läuft! Glencore liegt gut im Rennen und praktisch ebenauf mit Walmart im Wettstreit um Platz 2! All denjenigen, die schon für Glencore gestimmt haben, ein herzliches Dankeschön! Alle anderen laden wir herzlich ein, ebenfalls noch für Glencore zu stimmen, und auch möglichst viele Freunde, Verwandte und Bekannte zu animieren, für Glencore zu stimmen! Für uns wäre das schönste Weihnachtsgeschenk, wenn Glencore Anfang Januar an erster Stelle stehen würde! Zur Abstimmung: http://publiceye.ch/de/case/glencore/
Secondhand-Equipment gesucht!
Das Folgeprojekt von „Les voy a contar la historia“ von Chasquis und Connact soll im Jahr 2015 auf die Beine gestellt werden. Das Projekt heisst COMUNICAMBIA und möchte in etwa sechs Basisgemeinschaften wie El Garzal und Las Pavas, Workshops zu den Themen Identität, Kultur, Erinnerung und Wandel durchführen. Dafür braucht es Equipment!
Alte, aber funktionale Foto- oder Videokameras, Mikrophon, Audiorecorder, Stative, Laptops etc. können dringend gebraucht werden. Kontakt: proyectos@fundachasquis.org, der Materialtransport wird organisiert. Herzlichen Dank!
Redaktion: Regula Fahrländer
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