Anzeige beim Internationalen Strafgerichtshof: Gewalt gegen Gewerkschafter in Kolumbien

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat gemeinsam mit der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation CAJAR und dem kolumbianischen Gewerkschaftsdachverband CUT heute bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag eine Strafanzeige („Communication“) eingereicht, welche die Gewerkschafterverfolgung in Kolumbien betrifft.

Autor: ecchr

Pressemitteilung:
Internationaler Strafgerichtshof muss Gewalt gegen Gewerkschafter in Kolumbien als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen

Berlin/Bogotá/Brüssel/Den Haag, 9. Oktober 2012 Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat gemeinsam mit der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation CAJAR und dem kolumbianischen Gewerkschaftsdachverband CUT heute bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag eine Strafanzeige („Communication“) eingereicht, welche die Gewerkschafterverfolgung in Kolumbien betrifft. In der über 100 Seiten umfassenden Analyse der tatsächlichen und rechtlichen Situation kommen die Organisationen zu dem Schluss, dass die Gewalt gegen Gewerkschafter in Kolumbien die Stufe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreicht. Deshalb fordern sie den IStGH dazu auf, formelle Ermittlungen gegen die Hauptverantwortlichen aufzunehmen, da diese Verbrechen in Kolumbien nicht ausreichend ermittelt werden.
Fast 3.000 Gewerkschafter wurden in Kolumbien innerhalb der letzten drei Dekaden ermordet, 775 allein im letzten Jahrzehnt, und viele weitere wurden eingeschüchtert, bedroht und verfolgt. Dem internationalen Gewerkschaftsbund zufolge geschahen mehr als die Hälfte der weltweit berichteten Ermordungen von Gewerkschaftern in Kolumbien. Dies macht Kolumbien zu einem der gefährlichsten Länder für Gewerkschafter auf der Welt.

Zwar hat die Anklagebehörde des IStGH bereits 2003 vorläufige Untersuchungen zu Kolumbien eingeleitet, jedoch schreiten diese nicht voran. Wegen des weitverbreiteten und systematischen Charakters der Gewalt gegen Gewerkschaften in Kolumbien ist diese als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu qualifizieren. Mehr als 90 % dieser Verbrechen verbleiben in absoluter Straflosigkeit. Selbst bei den Taten, wegen derer einzelne unmittelbare Täter verurteilt werden, bleiben diejenigen in der militärischen und politischen Führung des Landes unbestraft, die die größte Verantwortung für diese Verbrechen tragen. Die Chefanklägerin den IStGH muss um die Aufnahme formeller Ermittlungen ersuchen, weil dies die einzige realistische Möglichkeit ist, um die Hauptverantwortlichen der Menschheitsverbrechen gegen Gewerkschafter in Kolumbien zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen.
Trotz dieser andauernden Gewalt gegen Gewerkschafter in Kolumbien haben sowohl die USA als auch die Europäische Union Freihandelsabkommen ausgehandelt, um Investitionen in ein Land zu fördern, in welchem als Ergebnis solcher Gewalt der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den letzten vier Jahrzehnten von 20 % auf lediglich 4 % der Arbeiter gesunken ist. Nicht zuletzt deswegen ist Kolumbien nach dem Weltentwicklungsbericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) von 2011 als eines der Länder mit der größten sozialen Ungerechtigkeit gelistet und wird nur von Angola und Haiti übertroffen.
„Unsere Gewerkschafter wurden wegen der Geltendmachung ihrer und unserer Rechte unter dem Vorwand, Verbündete der Guerillas zu sein, ermordet. Hinter jedem Verbrechen gegen einen Gewerkschafter stehen vor allem wichtige wirtschaftliche Interessen, mehr als die behaupteten Interessen der Aufstandsbekämpfung“, äußert sich Domingo Tovar, Präsident der CUT.
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Das Ausmaß der Gewalt gegen Gewerkschaften in Kolumbien sollte die internationale Gemeinschaft alarmieren. Die Förderung des freien Handels auf der Basis des von Gewerkschaftern geleisteten Blutzolls und trotz der Straflosigkeit dieser Verbrechen, widerspricht der Verantwortung aller Staaten, Menschenrechte und Frieden zu fördern“, sagt der Präsident von CAJAR, Alirio Uribe.
Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR, erklärt: „Nach jahrelangen unzureichenden Voruntersuchungen und im Angesicht von anhaltender Straflosigkeit ist es höchste Zeit, dass der IStGH formelle Ermittlungen eröffnet. Die Hauptverantwortlichen für die in Kolumbien verübten internationalen Verbrechen müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden.“

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