PM amnesty international: Anstieg von Morden an Aktivist*innen Gefahr für Friedensprozess

AMNESTY INTERNATIONAL Dienstag, 7. Februar 2017 | Pressemitteilung Kolumbien: ANSTIEG VON MORDEN AN AKTIVIST*INNEN GEFAHR FÜR FRIEDENSPROZESS Morde an Menschenrechtsaktivist*innen haben in Kolumbien in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Dies zeigt deutlich auf, welchen Gefahren sich Menschen nach wie vor aussetzen, wenn sie Menschenrechtsverstöße im Land anprangern, sagt Amnesty International anlässlich der Friedensgespräche, die die […]

AMNESTY INTERNATIONAL
Dienstag, 7. Februar 2017 | Pressemitteilung
Kolumbien:
ANSTIEG VON MORDEN AN AKTIVIST*INNEN GEFAHR FÜR FRIEDENSPROZESS
Morde an Menschenrechtsaktivist*innen haben in Kolumbien in den
vergangenen Monaten stark zugenommen. Dies zeigt deutlich auf, welchen
Gefahren sich Menschen nach wie vor aussetzen, wenn sie
Menschenrechtsverstöße im Land anprangern, sagt Amnesty International
anlässlich der Friedensgespräche, die die Regierung Kolumbiens und die
Guerilla-Gruppe ELN (Ejército de Liberación Nacional, „Nationales
Befreiungsheer“) nach vielen Verzögerungen heute offiziell in Ecuador
aufgenommen haben.
Die Menschenrechtsorganisation ruft die Regierung in Kolumbien auf, für
Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich in Gefahr befinden, sofort
wirksame Schutzmaßnahmen einzurichten. Allein im Januar 2017 wurden
mindestens zehn Aktivist*innen ermordet – fast doppelt so viele wie im
Monatsdurchschnitt des vergangenen Jahres.
„Mit dem heutigen Friedensprozess scheint am Ende eines langen unddunklen
Tunnels ein helles Licht, das verschiedentlich bereits zu greifbaren
Verbesserungen im Leben viele Kolumbianer und Kolumbianerinnen geführt
hat. Solange aber die Morde an zivilgesellschaftlichen Aktivistinnen und
Aktivisten kein Ende nehmen, wird jedes erdenkliche Friedensabkommen immer
mit einem unauslöschlichen Schandfleck behaftet sein“, warnt Erika Guevara
Rosas, Amerikas-Direktorin bei Amnesty International.
„Ganz gezielt werden diese mutigen Aktivisten und Aktivistinnen von
mächtigen lokalen und regionalen Interessengruppen in Wirtschaft und
Politik, aber auch von diversen bewaffneten Gruppen und Paramilitärs
versucht zum Schweigen zu bringen, einfach weil sie ihre Rechte
verteidigen oder schmerzhafte Wahrheiten in Kolumbiens Alltag öffentlich
anprangern.“
Der spürbare Rückgang an direkt aus Kämpfen resultierender Gewalt gegen
die Zivilbevölkerung, der seit Beginn der Friedensgespräche von Kolumbiens
Regierung mit den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (Fuerzas
Armadas Revolucionarias de Colombia, FARC) zu beobachten ist, hat bereits
einen kurzen Blick darauf gestattet, wie Kolumbien nach einem Ende des
Konflikts aussehen könnte. Die steigende Zahl von Morden an
Gemeindesprecher*innen, Landrechts- und Umweltaktivist*innen, von denen
allein etwa 80 im vergangenen Jahr getötet worden sind, kann diese
Fortschritte jedoch ebenso zunichte machen wie auch die zunehmenden
Aktivitäten paramilitärischer Gruppen, die in verschiedenen Berichten
beispielsweise aus der Region Urabá im Nordwesten des Landes belegt sind.
In diesem Jahr ermordet wurden unter anderem Emilsen Manyoma, Sprecherin
einer afrokolumbianischen Gemeinde, und ihr Partner Joe Javier Rodallega.
Sie wurden zum letzten Mal am 14. Januar 2017 lebend gesehen. Am 17.
Januar wurden ihre Körper dann tot in Buenaventura imDepartment Valle del
Cauca aufgefunden.
FRIEDEN BRAUCHT GERECHTIGKEIT
Die Übereinkunft über ein neues Sonderjustizsystem, die FARC und Regierung
als Teil ihres Friedenvertrages im letzten Jahr geschlossen hatten und die
derzeit im Kongress Kolumbiens debattiert wird, ist ein Schritt in die
richtige Richtung um den Rechten der Opfer des Konfliktes auf Wahrheit,
Gerechtigkeit und Wiedergutmachung in der Praxis Geltung zu verschaffen.
Ihre Bestimmungen werden in jedem Fall Anwendung auch auf Angehörige der
staatlichen Sicherheitskräfte finden und wahrscheinlich ebenfalls auf die
Mitglieder des ELN.
Nichtsdestotrotz reicht der Friedensvertrag mit diesem Teilabkommen an
verschiedene Vorgaben im internationalen Recht nicht heran, um Kolumbiens
völkerrechtliche Verpflichtungen vollständig zu erfüllen, etwa weil die
darin festgelegte Definition von Vorgesetztenverantwortlichkeit zu eng
gefasst ist. Dadurch würde stark erschwert, Befehlshaber*innen sowohl in
den Reihen der FARC als auch der staatlichen Sicherheitskräfte für
Vergehen ihnen unterstellter Kombattant*innen vor Gericht zur
Verantwortung zu ziehen.
„Frieden wird in Kolumbien erst dann tatsächlich Wirklichkeit werden, wenn
alle, die im Verdacht stehen, für einige der grauenvollsten Verbrechen,
die man sich überhaupt vorstellen kann, strafrechtlich verantwortlich zu
sein, dafür auch in angemessener Weise und in fairen Verfahren zur
Rechenschaft gezogen werden“, so Erika Guevara Rosas.
„Die Behörden müssen wirksame Schritte einleiten um den Morden an
Menschenrechtsverteidiger*innen unverzüglich ein Ende zu setzen. Sie
müssen ebenfalls Schutzgarantien auf den Weg bringen, um die Sicherheit
indigener, afrokolumbianischer und kleinbäuerlicher Gemeinden zu
gewährleisten, die sich in vielen ländlichen Regionen Kolumbiens weiterhin
Angriffen bewaffneter Gruppen – hauptsächlich paramilitärischer Einheiten
– ausgesetzt sehen“, fordert Guevara Rosas weiter.
HINTERGRUND
Nachdem der ELN am 2. Februar 2017 mit Odín Sánchez eine seiner
bekannteren Geiseln freigelassen hatte, die die Guerilla-Gruppe nach wie
vor in Gefangenschaft hält, hat Kolumbiens Regierung offizielle
Friedensverhandlungen nun auch mit dieser Konfliktpartei aufgenommen. Vor
wenigen Wochen begann zudem die Umsetzung des bereits im November letzten
Jahres unterzeichneten Friedensvertrages mit der Guerilla-Gruppe FARC.
Englisch:
www.amnesty.org/en/latest/news/2017/02/colombia-spike-in-killings-as-activists-targeted-amid-peace-process
Spanisch:
www.amnesty.org/es/latest/news/2017/02/colombia-spike-in-killings-as-activists-targeted-amid-peace-process/